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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Dinah McCall
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bitte, haben Sie doch Gnade!“
    „Sir, was glauben Sie, wie viel Gnade ihr die Familien der Frauen einräumen würden, die sie umgebracht hat?“
    Einen Moment lang stand Emile stumm da, dann flehte er: „Oh Gott, ich würde alles dafür geben, um das hier ungeschehen zu machen.“
    „Dafür ist es zu spät“, sagte Sully und nahm Ginnys Hand. „Aber es ist nicht zu spät, um das rückgängig zu machen, was Sie ihr angetan haben.“
    Ginny hielt den Atem an, da sie fürchtete, dass sich ihre Hoffnung nicht erfüllte. Doch dann seufzte der alte Mann und streckte seine Hand aus.
    „Wenn die Schule nicht abgebrannt wäre, hätten wir das schon lange hinter uns. Kommen Sie, es ist Zeit, die Vergangenheit zu begraben.“
    Sie zögerte.
    „Ich bin bei dir“, sagte Sully.
    Schließlich ging sie mit dem alten Mann, und im Geist sah sie sich an der Montgomery Academy, wie sie Hand in Hand mit Georgia den letzten Klassenraum betrat.

EPILOG
    S eit Monaten prangte das „Zu verkaufen“-Schild des Maklers vor dem Haus der Karnoffs. Nur wenige Interessierte hatten sich das Anwesen angesehen. Es würde einige Zeit dauern, ehe das Gerede verstummte und die Erinnerungen an die Tragödie verblassten, die sich dort abgespielt hatte.
    Karnoff war von den Medien so belagert worden, dass er einen richterlichen Beschluss erwirken musste, um die Menschen davon abzuhalten, sein Grundstück zu betreten. Aber das hatte nicht ausgereicht. Die Nachbarn zeigten zwar ihr Mitgefühl, doch hinter seinem Rücken wurde getuschelt, und Lügen machten die Runde. Eines Tages war er verschwunden. Niemand hatte einen Umzugswagen gesehen, niemand hatte mitbekommen, dass er weggegangen war. Vor dem Haus sammelten sich eine Weile täglich die Zeitungen an, dann hörte auch das auf.
    Als das Schild aufgestellt wurde, um potenzielle Käufer auf das Anwesen aufmerksam zu machen, war klar, dass er nicht zurückkehren würde. Mit der Zeit sprach man nicht mehr über die Tragödie, und nur selten spekulierte jemand darüber, wohin Karnoff gezogen sein mochte.
    Lucy Karnoff starb am zehnten Tag in der Haft an den Folgen eines Herzanfalls. Als Emile sie neben seinem Sohn beerdigte, trug er mit seiner Frau auch die letzte Verbindung zu einer Belastung zu Grabe, die übermächtig geworden war.
    „Was hältst du davon?“ fragte Sully und sah Ginny an, während sie durch das Apartment in Washington D.C. gingen, das ihnen der Makler angeboten hatte. Sie waren so vertieft darin gewesen, die Wohnung zu begutachten, da sie noch vor der Hochzeit diesen Punkt erledigt wissen wollten, dass sie nicht bemerkt hatten, wie am Morgenhimmel dunkle Wolken aufgezogen waren.
    „Viele Fenster. Das mag ich“, sagte sie. „Aber ist sie groß genug? Ich möchte nicht nach der Hochzeit hier einziehen und feststellen müssen, dass wir mehr Platz benötigen. Außerdem weiß ich nicht, was ich davon halten soll, ein Kind in einem Apartment großzuziehen. Als ich klein war, konnte ich im Garten spielen.“
    „Ich bin immer noch für das Haus in Virginia“, meinte er. „Der Weg ins Büro ist nichts im Vergleich zu der Ruhe, die wir dort hätten.“
    „Es hat mir auch am besten gefallen“, sagte Ginny und zog die Augenbrauen zusammen. „Aber ich finde es nicht fair, dass du so viel Zeit auf der Straße verbringen musst.“
    Er lachte. „Schatz, überleg doch mal, womit ich mein Geld verdiene. Ich bin immer auf der Straße.“
    „Ja, du hast Recht“, sagte sie.
    „Dann sind wir uns also einig“, sagte er und zog an ihrem Mantel, bis sie nachgab und ihn umarmte.
    „Ist dir kalt?“ fragte er. „Für November ist es ungewöhnlich warm, aber die Luft ist trotzdem manchmal sehr frisch.“
    „Mit mir ist alles in Ordnung“, erwiderte Ginny.
    „Dann lass uns gehen. Ich weiß ein Restaurant, in dem es köstliches Chili gibt.“
    „Gibt es da auch Maisbrot?“
    „Oh ja, in riesigen Portionen.“
    „Dann bin ich einverstanden“, sagte sie und ging Arm in Arm mit ihm zum Aufzug. „Müssen wir noch beim Hausmeister vorbeifahren?“
    „Nein, er hat gesagt, wir könnten den Schlüssel einfach unten in seinen Briefkasten werfen.“
    Als sie im Erdgeschoss den Aufzug verließen und Sully den Schlüssel zum Apartment einwarf, zerriss ein Donner die morgendliche Stille. Automatisch wandte er sich Ginny zu und studierte aufmerksam ihr Gesicht, um nach Hinweisen zu suchen, dass Emile Karnoff die Spuren seiner Arbeit vielleicht doch nicht völlig ausgelöscht hatte. Aber er konnte
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