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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe
Autoren: Anita Shreve
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an. Kevin, der gleich hinter Patrick stand, legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was ist los?«, fragte er.
    Patrick ließ Margaret los. »Nichts«, sagte er. »Gar nichts.«
    Margaret sah, dass Kevin Patrick nicht glaubte. Wer würde einem Mann glauben, der eben seine Frau derart grob geschüttelt hatte?
    Everdene trat neben Margaret. »Es tut mir so leid«, sagte sie.
    »Nein, mir sollte es leidtun«, entgegnete Margaret. »Ich habe Sie beide schrecklich hintergangen.«
    Margaret erzählte Everdene und Kevin die ganze Geschichte. Von der letzten Tour, von ihrem Bedürfnis, Dianas zu gedenken. »Ich hatte einen festen Plan«, sagte sie, »und ich hätte Sie einweihen müssen.«
    »Sie hätten Ihr Leben verlieren können«, sagte Everdene.
    »Sie haben Angst um mich gehabt. Und Sie müssen Angst um Ihr eigenes Leben gehabt haben.«
    »Ja, die hatte ich«, sagte Everdene. »Das Ganze war beängstigend. Aber ich glaube, wir hatten vor allem um Sie Angst.«
    »Es war dumm«, erklärte Margaret. »Einfach dumm.«
    »Sie glaubten eben, Sie müssten es tun. Ich kann das verstehen.« Everdene legte Margaret behutsam die Hand auf den Arm. »Und ich kann auch verstehen, dass Sie uns nicht beunruhigen wollten.«
    »Danke«, sagte Margaret.
    Everdene war die Zweite, die die Höhenkrankheit erwischte. Als sie die Top Hut erreichten, gestand sie, entsetzliche Kopfschmerzen zu haben. Sie taumelte nur noch in die Banda und legte sich auf eines der Stockbetten.
    Stockbetten, dachte Margaret. Welch ein Luxus.
    Patrick hatte alle Bemühungen aufgegeben, sein Unwohlsein zu vertuschen. Er kroch in das Stockbett gegenüber von Everdene und streckte sich auf dem Bauch aus.
    Margaret setzte sich zu Everdene auf die Bettkante und rieb ihr den Rücken. »In ein paar Minuten steigen wir ab.«
    »Ich brauche nur ein wenig Erholung«, sagte Everdene.
    Margaret holte den Beutel mit den Medikamenten und verteilte Aspirin an Everdene und Patrick.
    »Mir können Sie auch gleich was davon geben«, sagte Kevin. Er saß auf der Kante eines freien Betts und hielt den Kopf in die Hände gestützt.
    »Kopfschmerzen?«, fragte Margaret.
    »Unter anderem.«
    »Sagen Sie es mir, wenn Sie Imodium brauchen. Die Höhenkrankheit vergeht angeblich, sobald man wieder unten ist. Wir gehen in ein paar Minuten los.«
    Sie schenkte ihnen Wasser ein, aber Patrick wollte keines. Dann ging sie hinaus, um mit dem Führer zu sprechen. Die Hände in die Hüften gestemmt stand er da.
    »Sie fühlen sich alle ein bisschen angeschlagen«, erklärte sie.
    Der Führer verzog keine Miene. »Ihr Mann hat mir von der Frau erzählt, die letztes Jahr umgekommen ist.«
    Margaret krampfte ihre Hände ineinander. »Ja«, sagte sie. »Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, ich hätte es Ihnen sagen sollen.«
    »Sie müssen jetzt auf den Gipfel gehen«, sagte er und zeigte nach oben. »Ngai lässt bald den Regen kommen.«
    Margaret blickte in die Höhe. Die dunkle Wolke bewegte sich schnell auf den Point Lenana zu. »Ich kann nicht auf den Gipfel gehen«, sagte sie. »Meinem Mann und meinen Freunden geht es nicht gut. Sie sind wahrscheinlich höhenkrank. Ich glaube, wir müssen sie so bald wie möglich hinunterbringen.«
    »Das tun wir«, erwiderte der Führer. »Aber erst müssen sie sich ausruhen. Während sie sich ausruhen, kommen Sie mit mir.«
    »Ich finde, ich sollte bei ihnen bleiben«, protestierte Margaret. Wie sollte sie ohne Patrick auf den Gipfel steigen? Wäre das nicht so, als zerschlüge sie alles, was zwischen ihnen noch übrig war?
    »Nein«, widersprach der Führer. »Sie sind hier gut aufgehoben. Sie haben unrecht gegen Ngai getan. Oder irre ich mich?«
    Hatte sie unrecht gegen Ngai getan?
    »Memsahib, Sie können es nur wiedergutmachen, wenn Sie auf den Gipfel steigen.«
    »Jetzt?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Njoroge mit Nachdruck. »Jetzt sofort.«
    »Ich habe Angst.« Margaret starrte auf den steilen Hang zum Gipfel.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich führe Sie.«
    Wieder blickte sie zum Gipfel hinauf.
    »Ich sage ihnen nur Bescheid. Ich bin gleich wieder da«, versprach sie.
    Kevin und Everdene waren schon eingeschlafen. Wenn sie erwachten, würde sie ihnen den Berg hinunterhelfen – über den Gletscher, über das Schotterfeld, durch den Sumpf. Mit Glück würden sie noch Freunde sein, wenn sie unten anlangten. Bei Everdene würde sich Margaret die größte Mühe geben.
    Sie beugte sich zu Patrick hinunter, sodass ihr Gesicht dem seinen nahe war. Sie sah,
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