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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers
Autoren: Charlotte Bonerz , Johanna Kirchen
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Decke von sich und fing sie wieder auf. Und stand da in weißer Unterhose und Hemd mit Feinripp. Dazu braune Wollsocken, die kurz unterhalb seiner Knie endeten. Ein echt sexy Anblick, dachte Anne spöttisch, aber im Moment war ihr eh nicht danach zumute. Diesen Abend hatte Hannes sich auch anders vorgestellt; nach der Treibjagd duschen, den neuen Anzug anziehen, Annes Geschenk verpacken … eben ein romantisches Abendessen zu zweit. Dass Martin „dazwischenfunken“ würde, hatte keiner ahnen können. Es hatte gewiss nicht in seiner Absicht gelegen, aber nüchtern betrachtet hatten Anne und Hannes schon genug durchgemacht in diesem Jahr.
    „Anne, nun bleib doch mal stehen!” Hannes zog sie an sich. Sie heulte. Er drückte sie fester.
    „Mir hat gar nichts gegolten, es war ein schlimmer Unfall. Und ich war weit weg. Da oben will mich noch niemand, wie du siehst.” Tolle Ansprache, dachte Anne und konnte nur den Kopf schütteln.
    „Ein Unfall?” Sie sah Hannes mit tränenüberströmtem, fassungslosem Gesicht an. „Das hast du mir bei Bernd Steinmetz auch erzählt.”
    „Das war doch was völlig anderes!” Hannes riss die Arme in die Luft und ließ sie gleich darauf wieder sinken. „Wer sollte mich denn umbringen wollen?”, fragte er mehr sich selbst. Anne wandte sich ab und lief zum Telefon. Sie warf den Hörer in Hannes‘ Richtung. „Du wirst jetzt sofort die Polizei anrufen und fragen, ob Anton Schönemann noch hinter Schloss und Riegel sitzt!”
     

Kapitel 4
     
    Sein Gesicht im Spiegel war alt. Alt, zerfurcht und grau. Viel zu alt für das, was er noch vorhatte.
    Er sah sich selbst in die Augen. Graue Augen, trüb und leer. Seine Haut gelblich, wächsern. So würde er aussehen als Figur im Wachsfigurenkabinett. Dort sollte er auch hingehören. In die Abteilung der klügsten Verbrecher aller Zeiten. Davon war er überzeugt. Ach was. Was für ein schlimmes Wort. Ich bin kein Verbrecher, er fand dieses Wort fehl am Platz. Aber sollte ihn die Welt so sehen, wie sie wollte. Er wusste es besser. Oh ja, ich habe noch viel zu tun. Noch einmal sah er in sein altes Gesicht. Oh nein, ich bin noch nicht fertig. Einen Teil des Eides, das wusste er, galt es noch zu erfüllen.
    Noch hatte er zwei Eisen im Feuer.
    Der Schein trügt, dachte Anton Schönemann. Schuld war das milchige Licht der schwachen Glühbirne, der schmierige und blinde Spiegel des kleinen Badezimmers, so winzig, dass man sich kaum darin drehen konnte. Verschmutzt und abgegriffen von so vielen Benutzern vor ihm.
    Draußen vor der Tür hörte er den Wärter ungeduldig hüsteln. So, als müsse dieser ihn daran erinnern, anwesend zu sein; dass er wartete vor der Tür und nicht Wärter sondern Pfleger genannt werden wollte.
    Er hüstelte nochmals. Als hätte Schönemann vergessen, dass er da stand in seiner Zelle, die die anderen Krankenzimmer nannten, um ihn abzuholen, ihn zu begleiten. Als hätte er vergessen, dass man ihn keinen Schritt allein tun ließ, als wäre er ein dummes Kind.
    „Komme gleich”, rief Anton Schönemann durch die geschlossene Tür. Noch einmal betrachtete er sein Gesicht im Spiegel. Er übte das Lächeln. Zufrieden sah er sich lächeln, freundlich, sanft, fast gutmütig. Er war ein guter Schauspieler. Ein guter Lächler. Das hatte er in seiner Karriere als Verkäufer gelernt. Lernen müssen.
    Oh, wie ich mich auf diese Besuche freue! Egal von welchem der beiden. Einer war ihm so lieb wie der andere.
    Er hatte noch keine Ahnung, wer ihn heute beehren würde. So konnte er sich nicht auf das Gespräch einstellen. Er würde spontan sein müssen. Aber das beherrschte er meisterlich. Er würde, ohne zu zögern, in genau die Rolle schlüpfen, die von ihm erwartet wurde.
    Er ließ das Lächeln auf seinem Gesicht einfrieren, ganz so, als würde er eine Maske tragen, und öffnete die Tür.
    „Gehen wir”, sagte er fröhlich und hakte sich bei dem Pfleger unter, damit dieser ihn in das Besucherzimmer der Klinik leiten konnte.
    In eine Klinik hatte man ihn gebracht. Als wäre ich krank! Bei seiner Ankunft hatte er das Schild gelesen. Forensische Psychiatrie. Als wäre ich verrückt! Nicht mehr ganz richtig im Kopf. Unverschämtheit! Er würde es allen beweisen.
    „Wie nett, dass Sie mich begleiten”, lächelte er den jungen Mann an seiner Seite an.
    Die Wände, gestrichen in hellgrün. Türen in Fichteoptik. Natürlich furniert.
    Nichts hier ist echt, dachte er, alles Schall und Rauch.
    Nummern an jeder Tür. Verrückte hinter
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