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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin
Autoren: Monika Felten
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sie spürte den metallischen Geschmack von Blut im Mund. Feuchtes Laub, Schmutz und Gräser klebten an ihren Händen, ihrer Haut und auch an der sandfarbenen Tunika, die sie nur unzureichend vor der nächtlichen Kälte schützte.
    Sie blinzelte erneut, doch das Bild vor ihren Augen blieb unscharf Panik stieg in ihr auf, und die Furcht, den Rest der Nacht hilflos im Wald umherzuirren, schnürte ihr die Kehle zu.
    Mit ausgestreckten Armen tastete sie sich humpelnd voran, bis sie die raue Rinde eines Baumes unter den Fingern spürte. Der stumme Riese gab ihr Halt und das trügerische Gefühl von Sicherheit. Seufzend lehnte sie sich mit dem Rücken an den wuchtigen Stamm, schloss die Augen und versuchte, nicht auf die sich regende Verzweiflung zu achten.
    Wilnu!
    Ich muss Wilnu finden!
    Sie unterdrückte ein Schluchzen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Zwei Nächte schon hatte sie in ihrer Hütte auf die Rückkehr ihres Gefährten gewartet, aber Wilnu war nicht zurückgekommen. Irgendwann hatte sie die quälende Ungewissheit nicht länger ertragen und sich auf den Weg gemacht.
    Sie wusste, wo sie ihn finden würde.
    Alle wussten es.
    Melva-Nnab!
    Die verborgene Höhle in den Wäldern war allen Hedero ein Begriff. Doch während es den Frauen streng untersagt war, dorthin zu gehen, war sie für die Krieger ihres Blutes ein heiliger Ort, von dem jene, die ihn betreten hatten, nur mit leuchtenden Augen sprachen.
    Yenu fühlte, wie die Wut erneut zum Leben erwachte – jene Wut, die sie in ihrem Herzen trug, seit sie erfahren hatte, dass Wilnu als Shura-Wna für eine Felis, eine Katzenfrau, auserwählt worden war.
    Sie stieß einen leisen Fluch aus und ballte die Fäuste.
    Kein lebendes Wesen in Andaurien war bei den Frauen der Hedero so verhasst wie die Angehörigen der geheimnisvollen Halbmenschenrasse, die ausschließlich weibliche Nachkommen hervorbrachte.
    Hatte jemals ein Mann das Lager mit einer Felis geteilt, so zeigte er nach dieser Nacht kaum noch Neigung für die Frauen seines Blutes. Diese Männer zehrten lange von der berauschenden Erinnerung an die unbeschreibliche Begegnung und mieden die Lager ihre Gefährtinnen oft viele Winter lang.
    Die Hedero-Frauen hingegen fügten sich in ihr Schicksal und nahmen die Demütigung hin. In ihrem Stamm waren sie ohne Rechte und lernten schon früh, sich den Männern zu unterwerfen.
    Auch Yenu war so aufgewachsen. Sie kannte die Regeln und hatte sich stets gefügt – bis das Los des Auserwählten auf Wilnu gefallen war.
    Yenu liebte ihren Gefährten. Um keinen Preis wollte sie ihn an eine Katzenfrau verlieren. Obwohl es den Frauen der Hedero nicht zustand, Einfluss auf die Entscheidungen ihrer Männer zu nehmen, hatte sie viele Nächte lang versucht, ihn davon abzuhalten. Erst sanft, dann drängend hatte sie ihn angefleht und darum gebettelt, nicht zu gehen – vergeblich.
    In einer strengen, unnachgiebigen Art, die sie so von ihm bisher nicht gekannt hatte, hatte Wilnu ihre Einwände fortgewischt und sie mit Kälte und Missachtung gestraft. Dann war er gegangen.
    Aber Yenu war nicht wie die Frauen ihres Blutes. Anders als Miya, ihre beste Freundin, die ihr Schicksal teilte und schon seit dem vergangenen Sommer unter den Erniedrigungen ihres Gefährten litt, hatte sie sich keineswegs dem scheinbar Unausweichlichen gefügt. Ein dünnes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie noch einmal das Hochgefühl verspürte, das sie empfunden hatte, als sie den Tempel des Blutgottes aufgesucht hatte. Anders als ihre unterwürfigen Leidensgefährtinnen hatte sie sich nicht ihrem Schicksal ergeben und stattdessen den Jägern den Weg gewiesen. Mit Mut und Entschlossenheit hatte sie dafür gesorgt, dass diese Katzenfrauen den Frauen ihres Blutes nie wieder die Männer rauben würden.
    Aber Wilnu hätte längst zurück sein müssen …
    So schnell wie es gekommen war, schwand das Hochgefühl der inneren Befreiung und wich einer dumpfen Beklemmung, dem Ausdruck ihrer Sorge um den geliebten Gefährten.
    Ich muss weiter!
    Als Yenu die Augen öffnete, war ihr Blick endlich klar. Die dunklen Stämme der Bäume hoben sich im Mondschein scharf von den Schatten des Unterholzes ab. Nach einigem Suchen fand sie auf den schmalen Pfad zurück, der von ihrem Dorf in den Wald hineinführte, und machte sich humpelnd wieder auf den Weg.
    Der Pfad mündete in einer sandigen Bucht des Pilan, einem Nebenarm des Darth. Anders als der reißende Strom, der die Wälder ihres Volkes von den
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