Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
Vom Netzwerk:
- nicht an der Tür, sondern in allem war dieser dumpfe Ton.
    »Ich glaube, ich muss gehen«, sagte Sigfinn, und er sah noch, wie sich Halims Mund zu einer Antwort öffnete.
    Dann war er in einem Schlafgemach. Kiste, Stuhl, Kerze, Bett. Glismoda. Sigfinn war froh, dass die gute Frau, die ihn in Worms aufgenommen hatte, nicht mehr in dem kleinen Verschlag leben musste. Sie hatte es sich hübsch eingerichtet, wie es schien.
    Ein mächtiges Schnarchen war unter ihrer Decke zu hören, das den Prinzen überraschte. Glismoda stand leise auf, und die Decke fiel nicht auf das Lager, sondern blieb beeindruckend gewölbt. Neugierig trat Sigfinn näher heran und sah den Waffenmeister Maiwolf, der in verdientem Schlaf sich wälzte.
    »Sigfinn«, flüsterte Glismoda, und sie schien ein wenig peinlich berührt, nicht allein zu sein.
    Der Prinz sah sie nur an, erfreut ob ihres Glücks und mit großer Dankbarkeit.
    »Du bist nicht wirklich hier, oder?«, fragte die anständige Frau mit zitternder Stimme.
    Er nahm ihre Hände in seine und drückte sie sanft. »Ich werde immer hier sein, Glismoda. Immer.«
    Es klopfte wieder, und Sigfinn war froh, als letztes Bild von dieser Zeit das Gesicht dieser Frau mitzunehmen.
     
    Sie standen in Schwärze. Da war der Amboss, Regin und Brunhilde. Aber nichts sonst. Kein Boden, keine Decke, keine Wände, kein Horizont. In welche Richtung Sigfinn und Brynja auch blickten, es war schwarz, leer, tot.
    Zufrieden hielt Regin mit der Zange das Drachenamulett
hoch. »Ich denke, das sollte reichen. Es ist ja nicht für die Ewigkeit.«
    Er tauchte das Schmuckstück in einen Bottich, wo es zischte und gurgelte. Dann warf er es mit einer schnellen Drehung zu Sigfinn, der das feuchte Amulett fing und es in seinen Fingern drehte. Es war eins, mitsamt dem Drachenauge. Die feine Arbeit machte es unmöglich, zu erkennen, dass es einst in drei Teile zerlegt worden war.
    »Hattet ihr Zeit, zu sagen, was gesagt werden musste?«, fragte Brunhilde.
    »Es war nicht viel«, antwortete Brynja. »Gerne hätte ich noch Maiwolf zum Abschied gewunken.«
    »Es geht ihm gut«, sagte Sigfinn unbedacht. »Sehr gut. Glaube mir das.«
    »Dann ist getan, was getan werden musste«, verkündete Brunhilde. »Der Wille der Götter ist erfüllt, und Siegfrieds Blut hat erneut dem Schicksal widerstanden.«
    Ein hoher, singender Ton erfüllte die Luft, und ein Windstoß erfasste Brynja und Sigfinn, der Regin und Brunhilde nicht fand. Es knarzte im Gebälk der Welt, als die Räder der Zeit erst anhielten und sich dann mühsam rückwärts drehten.
    »Was geschieht nun?«, rief Sigfinn gegen den Lärm an. »Warum sehen wir nichts?«
    »Ihr seid nicht auf der Welt«, schrie Regin. »Das würdet ihr nicht überleben, wie alles gegen den Strom fließt, wie gestern erst heute wird und dann morgen. Doch an diesem Ort, der keiner ist, seid ihr sicher.«
    Brynja griff Sigfinns Hand und sah ihm flehend in die Augen. »Sollte dies der letzte Moment sein, in dem es mir so bewusst ist, will ich es gesagt haben: meine Liebe gehört nur dir, Sigfinn von Island.«

    Er drückte sie an sich. »Unsere Liebe währt jetzt und für immer.«
    Aus dem Knarzen wurde ein Heulen, das schwarze Jahrhundert zersplitterte, als es sich dagegen wehrte, aufgerollt zu werden. Tage, Wochen, Jahre verschwanden im Schlund der Zeit, aus Brot wurde wieder Teig und aus Feuer Holz. Die Wirklichkeit war wie ein Stock, von dessen Spitze nun ein hässlicher Teil weggeschnitzt wurde, Span für Span. Isenstein, Hurgan, Fafnir wurden ungeschehen, und den Horden blieb der Zugang nach Midgard verwehrt.
    Blut floss in Wunden, statt aus ihnen heraus, und die Quellen des Kontinents füllten sich mit frischem Wasser. Was wuchs, wuchs in die Erde, und geknechtetes Leben war auf einmal ungeboren.
    »Beim ersten Mal hatte ich es kaum mitbekommen«, sagte Regin. »Es ist ein rechtes Spektakel.«
    Brunhilde nickte. »Selbst die Götter ächzen im Bemühen, der Welten Lauf zurückzudrehen. Ich bezweifle, dass sie je wieder die Kraft haben werden.«
    »Vielleicht ist die Zeit der alten Götter vorbei«, brummte Regin. »Wer braucht sie noch? Wer braucht uns noch?«
    Dann fiel eine Stille in die Welt, perfekt und rein.
    »Was ist?«, fragte Brynja.
    »Die Zeit steht«, sagte Brunhilde. »An genau dem Moment …«
    »… an dem Siegfried sein Schwert wieder greift, um den Drachen zu töten«, vollendete Sigfinn. »Der Augenblick, in dem alles anders wurde.«
    Nichts war zu sehen, doch alle sahen es:
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher