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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Gestank von Exkrementen und Eiter. Als sie an einem gekachelten Raum vorbeikamen, in dem ein entstellter Leichnam auf einem Steintisch ruhte, sackte Ortwin in die Knie und übergab sich. Während sein gesamter Körper von unmenschlichen Qualen geschüttelt wurde, schoss Schwall um Schwall beinahe schwarzen Blutes aus ihm hervor, das augenblicklich in einer Rinne zusammenlief.
    Angeekelt sprang der Wächter einen Schritt zurück, während der Mönch ungerührt einen Novizen herbeiwinkte, dem er befahl, den Gang zu säubern, bevor er seinen Weg fortsetzte.
    Von starken Händen auf die Beine gezogen schleppte Ortwin sich weiter, doch mit jedem Schritt, den er tat, schien sich der Untergrund mehr in tückischen Treibsand zu verwandeln. Mit letzter Kraft gelang es ihm, den Durchgang zu erreichen, in dem der Mönch haltgemacht hatte, bevor ihn die Dunkelheit in die Tiefe ziehen konnte.
    »Wir sind da«, bemerkte der Kirchenmann trocken und gab den Blick frei auf eine spartanische Zelle, die außer einem Kruzifix keinerlei Schmuck zierte. In der Mitte des kleinen Raumes wartete ein stabil wirkendes Bett, an dessen vier Pfosten eiserne Ringe befestigt waren.
    Teilnahmslos ließ Ortwin sich auf den Strohsack wuchten, und als die Wächter Anstalten machten, seine Ketten durch die Ösen zu ziehen, hatte ihn die Taubheit schon fast übermannt. Wie aus dem Nebel drang die Stimme des Mönches an sein Ohr, und da kurz darauf der Zug auf seine Arme und Beine nachließ, öffnete er geschwächt die Augen. Verschwommen nahm er wahr, dass der Infirmarius den Männern befahl, die Fesseln zu lösen, bevor er sich über ihn beugte und an seiner Kleidung herumhantierte. »Sagt Eurem Hauptmann, dass ich mich persönlich dafür verbürge, dass dieser Gefangene nicht flieht«, versetzte der Bruder mit gerunzelter Stirn, nachdem er Ortwin kurz abgetastet hatte. »Denn das wäre ein Wunder, und Wunder vollbringt der Herr in letzter Zeit selten.«
    Ein Holzkreuz schwamm in sein Blickfeld, wurde auf seine Stirn gedrückt und verschwand wieder in den wabernden Schwaden, die ihn unaufhaltsam einhüllten. Das Letzte, das Ortwin wahrnahm, bevor er davondriftete, war, dass mehrere sanfte Hände ihn entkleideten, wuschen und mit einer wohlriechenden Tinktur beträufelten. Dann verschluckte ihn eine bodenlose Finsternis, in deren Tiefen sich gräuliche Kreaturen tummelten.
    Als er wieder erwachte, lähmte ihn eine solch namenlose Furcht, dass er kaum wagte, die Lider zu heben. Da jedoch ein leichtes Flackern verriet, dass irgendwo eine Flamme die Dunkelheit erhellte, fasste er sich schließlich ein Herz und schlug die Augen auf. Verdutzt blickte er in ein blutjunges, von einem hellblonden Lockenkranz eingerahmtes Gesicht, das sich mit einem ermutigenden Lächeln zu ihm hinabbeugte. »Trinkt das, es wird Eure Leiden lindern«, verkündete eine klare Stimme, und einen Moment lang dachte Ortwin, er sei im Himmelreich.
    Dann allerdings kehrte der Schmerz mit solcher Gewalt zurück, dass er laut aufkeuchte. Gegen eine überwältigende Panik ankämpfend rang er nach Luft, die mit jedem Atemzug messerscharf in seine Lunge stach, sodass er fürchtete, von innen auseinandergerissen zu werden. Es war, als drücke eine zentnerschwere Last auf seine Brust, und nur den Händen, die ihn niederhielten, war es zu verdanken, dass er nicht gegen einen unsichtbaren Gegner anfocht. Behutsam schoben sich kühle Finger unter seinen Kopf, während ein Löffel mit einer bitteren Flüssigkeit zwischen seine Zähne gezwungen wurde.
    »Gleich geht es Euch besser«, murmelte die engelsgleiche Stimme in einem melodischen Singsang, der Ortwin einlullte wie das Schlaflied einer Amme. Und tatsächlich spürte er wenig später, wie sich das kochend heiße Pech, mit dem jeder Zoll seiner Haut übergossen schien, zurückzog, in sich zusammenschrumpfte und schließlich von ihm abfiel.
    Leise stöhnend ließ er zu, dass der Novize ihn mit einem duftenden Tuch abtupfte und etwas Suppe fütterte, während er darum rang, sich das Gewesene ins Gedächtnis zu rufen. Der Kampf mit Wulf musste seine letzten Kraftreserven aufgezehrt haben, dachte er – zu schwach, um Wut zu empfinden. Am liebsten hätte er lauthals gelacht als ihm klar wurde, in welcher Situation er sich befand.
    Löffel um Löffel der stärkenden Brühe fand den Weg in seinen Magen, während irgendwo in der kleinen Kammer duftende Kerzen entzündet wurden. Anstatt ihn zu foltern, wusch, verköstigte und pflegte man ihn! Ein Laut,
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