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Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Titel: Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Autoren: PeP eBooks
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als etwas Fremdes wahrnimmt, dem wir uns widersetzen können. Bei Zwangsstörungen lernen die Patienten zum Beispiel, einem Reiz zu widersprechen. Magersüchtige sollen ihre Erkrankung als etwas ansehen, das von außen kommt. So können sie irgendwann sagen: »Es ist die Magersucht, die mir das antut. Nicht ›ich‹ will nicht essen, sondern meine Magersucht redet mir ein, dass ich nicht essen will.«
    Die amerikanische »Wahrheitskampagne«, das größte Nichtraucherprogramm aller Zeiten für junge Leute, beruht auf einem ähnlichen Ansatz. Es propagiert den Gedanken, dass der Wunsch nach Zigaretten nicht aus uns erwächst, sondern von einer manipulierenden Industrie, die nur auf ihren Profit schielt. In diesem Rahmen wurden Zigaretten erfolgreich zu einem Produkt umdefiniert, das gezielt zum Objekt unserer Begierde erhoben wird.
    Solche Methoden, die sich bei anderen Reiz-Reaktions-Verhaltensweisen bewährt haben, dürften sich auch zum strategischen Vorgehen gegen konditioniertes Überessen und zu dessen Behandlung eignen. Zudem beweisen sie, dass politische Vorgaben durchaus ihren Sinn haben. Vier denkbare Strategien erscheinen besonders erfolgversprechend:
    Erstens sollten (Fastfood-)Restaurants dazu verpflichtet werden,
alle angebotenen Gerichte mit Kalorienangaben zu versehen, sofern sie dies nicht schon freiwillig tun. [Ref 246] Damit bekämen die Verbraucher eine Entscheidungsgrundlage für ihre Wahl, und die Restaurants hätten einen Anreiz, mehr Gerichte für Menschen anzubieten, die nur das essen möchten, was sie brauchen (300 Kalorien morgens, 400 bis 500 Kalorien mittags, 500 bis 700 Kalorien abends). Solche Gerichte sollten fantasievoll und lecker sein, und die Lokale sollten sie mindestens genauso aggressiv bewerben wie ihre Schlemmerangebote.
    Zweitens sollte auf allen abgepackten Produkten gut sichtbar aufgeführt sein, wie viel Prozent Zuckerzusätze, raffinierte Kohlenhydrate und Fett sie enthalten. [Ref 247]
    Drittens brauchen wir finanziell gut ausgestattete Aufklärungskampagnen zum Thema »Extragroß«. Die Menschen müssen immer wieder und von allen Seiten hören, dass der Verkauf, das Servieren und der Verzehr von Speisen mit mehreren Schichten Zucker, Fett und Salz ungesund ist und unerwünschte Folgen hat.
    Und viertens sollte man die Lebensmittelwerbung beobachten und entlarven. Wenn die Konzerne Hyperreize bewerben, die zu konditioniertem Zwangsverhalten führen, sind das keine neutralen Informationen. So wirbt man für gesundheitsschädliches Verhalten.
    Wir brauchen neue Strategien und Lösungen für dieses Gesundheitsproblem, weil wir unsere Kinder schützen müssen. Als Kinderarzt ist das eine meiner größten Sorgen. Ein Weg, künftige Generationen nachhaltig vor dem Strudel aus Reiz-Verlangen-Belohnung-Gewohnheit zu schützen, wäre unser größtes Geschenk an die Jugend.

    Kaum jemand ist gegen das Essverhalten immun, das durch reizabhängiges Verlangen entsteht. Durch das Zusammenspiel einer allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Nahrung, großen Portionen, unablässigem Marketing und der kulturbedingten Einstellung, dass es in Ordnung ist, überall und zu jeder beliebigen Zeit zu essen, werden immer mehr Menschen auf Hyperessen konditioniert.
    Wir haben das Losbrechen dieser Lawine tatenlos mit angesehen, sind aber jetzt dennoch in der Lage, sie aufzuhalten. Welches Verhalten als angemessen oder unangemessen gilt, ist eine Frage gesellschaftlicher Normen. Sie setzen die Richtschnur für unsere Lebensweise, ermuntern uns zu bestimmten Verhaltensweisen oder hemmen andere. Natürlich wird es immer Menschen geben, die sich über solche Normen hinwegsetzen, doch die breite Mehrheit fühlt sich am wohlsten, wenn sie im Einklang mit den Standards ihrer Umgebung lebt.
    Deshalb ist die Neudefinition von Normen ein so wichtiges Werkzeug. [Ref 248] Aus den großen Schlachten um wichtige Gesundheitsthemen haben wir gelernt, dass Gesetzgebung und Regulierung zwar eine wichtige Rolle spielen, die größte Macht jedoch in unserer Fähigkeit steckt, vernünftiges Verhalten anders zu definieren. Beim Tabak hat das funktioniert. Die Einstellung, dass Rauchen sozial hinnehmbar ist, hat sich verändert. Immer mehr Menschen sahen Rauchen als abweichende, ja, abstoßende Verhaltensweise an. Mit der Zeit wurden Zigaretten und die Tabakindustrie in der öffentlichen Wahrnehmung zu Teufelszeug. Das war der Schritt von der Glorifizierung zur Dämonisierung.
    Ein solcher Wechsel der Perspektive lässt
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