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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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zu vergleichen ist.
    Als erkennbar wurde, dass die Krise real war, versuchten sich Beobachter an Erklärungen des Geschehens. Viele bemühten dazu
     den »schwarzen Schwan« von Nassim Nicholas Taleb, dessen gleichnamiges Buch zu Beginn der Krise erschien. 6 Taleb definierte den »schwarzen Schwan« als ein äußerst seltenes Ereignis, das die Spielregeln änderte und fast unmöglich
     vorherzusehen war. Nach dieser Definition handelte es sich bei der Finanzkrise um einen nicht vorhersehbaren Ausreißer. So
     entscheidend und umwälzend dieses Ereignis war, es hätte laut Taleb von niemandem im Vorhinein erkannt werden können.
    Auf eine perverse Art ist diese Vorstellung schon fast wieder beruhigend. Wenn Finanzkrisen als »schwarze Schwäne« mit Flugzeugabstürzen
     vergleichbar sind, wenn es sich also um schreckliche, aber äußerst unwahrscheinliche und unvorhersehbare Ereignisse handelt,
     dann hat es keinen Sinn, sich ihretwegen den Kopf zu zerbrechen. Doch das ist falsch. Wie die meisten Unglücksfälle |30| war auch die jüngste Krise durchaus absehbar und wahrscheinlich, und zwar aus einem einfachen Grund: Finanzkrisen als »schwarze
     Schwäne« halten sich an ein vertrautes Drehbuch. Auslöser ist jedes Mal eine Anhäufung bekannter wirtschaftlicher und finanzieller
     Schwächen, die irgendwann eine kritische Schwelle überschreiten. So groß das Chaos auch ist, das Krisen anrichten: Im Grunde
     sind sie doch Gewohnheitstiere.
    Die meisten Krisen beginnen mit einer Spekulationsblase, in deren Verlauf der Preis einer Anlage weit über ihren eigentlichen
     Wert hinaus steigt. Oft entsteht eine solche Blase in einer Ära der exzessiven Schuldenaufnahme, in der Anleger mit geliehenem
     Geld auf den Boom spekulieren. Es ist kein Zufall, dass Blasen häufig mit einer undisziplinierten Geldpolitik einhergehen,
     also in eine Zeit fallen, in der dank mangelnder Überwachung und Regulierung des Finanzsystems ein Übermaß an Krediten verfügbar
     ist. Das könnte eine Folge lascher Beaufsichtigung und Regulierung des Finanzsystems sein oder gar die Konsequenz der lockeren
     Währungspolitik einer Zentralbank.
    Natürlich können sich Spekulationsblasen auch vor einem Kreditboom bilden, wenn nämlich die Erwartung künftiger Preissteigerungen
     ausreicht, um einen sich selbst erfüllenden Anstieg der Preise für eine bestimmte Anlage auszulösen. Es kommt auch vor, dass
     eine revolutionäre technologische Neuerung – etwa die Eisenbahn oder das Internet – Hoffnungen auf eine schöne neue Welt mit
     hohen Wachstumsraten weckt und auf diese Weise die Spekulationsblase anstößt. Die Immobilienkrise wurde allerdings nicht durch
     eine solche Erfindung ausgelöst; die komplexen neuen, in den Finanzlaboratorien der Wall Street zusammengerührten Wertpapiere
     könnten zwar in gewisser Hinsicht als eine solche Neuerung gewertet werden, aber sie schufen keine wirklichen wirtschaftlichen
     Werte.
    Doch auch das ist nichts Neues. Viele Spekulationsblasen werden zwar von konkreten technischen Neuerungen ausgelöst, doch
     erst durch Veränderungen in der Finanzstruktur blähen sie sich |31| richtig auf. Die zerstörerischsten Blasen der letzten Jahrhunderte gingen Hand in Hand mit Finanzinnovationen, vor allem mit
     den vielen neumodischen Instrumenten und Institutionen, mit denen die Spekulation in der jeweils angesagten Anlage angeheizt
     wurde. Dabei kann es sich genauso um neue Kredite oder Schuldverschreibungen handeln wie um neue Finanzunternehmen, die den
     Anlegern neue Möglichkeiten der Spekulation eröffnen.
    Unabhängig davon, was den Boom auslöst oder auf welchem Weg sich die Anleger beteiligen, steht im Mittelpunkt des spekulativen
     Interesses immer eine bestimmte Anlage. Dabei kann es sich grundsätzlich um jede beliebige Anlage handeln, obwohl es meistens
     um Aktien, Immobilien oder Grundstücke geht. Während die Preise für die begehrte Anlage in den Himmel schießen, versuchen
     die Optimisten in der Regel fieberhaft, diese Überbewertung zu rechtfertigen. Auf das frühere Platzen von Spekulationsblasen
     hingewiesen, behaupten sie gern, dass diesmal »alles anders« sei. 7 Wirtschaftsweise erklären (und sind ernsthaft überzeugt davon), dass sich die Wirtschaft in einer Phase befinde, in der die
     Gesetze der Vergangenheit keine Gültigkeit mehr hätten. Die jüngste Immobilienblase in den Vereinigten Staaten blieb diesem
     Drehbuch erstaunlich treu: Wohneigentum galt als »sichere Anlage«, die
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