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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Daniel Höra
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umbringen, wenn sie erfahren, dass ich dich angegriffen habe«, sagte er.
    »Das werden sie.« Und in diesem Augenblick wünschte ich mir, dass sie Roger in kleine Stücke schnitten und an die Schweine verfütterten.
    »Ich wollte nur, was mir zusteht«, schluchzte er. »Der Vorarbeiter hat meine Stückzahl gefälscht, um das Geld für sich zu kassieren. Er ist ein Betrüger. Nur deswegen habe ich ihn geschlagen.«
    Er sah mich mit seinen verheulten Augen an.
    Ich wollte nichts davon hören. Was geht mich das Zefpack an, dachte ich.
    »Deshalb soll ich bestraft werden. Zwanzig Peitschenhiebe«, jammerte Roger.
    Das fand ich nicht schlimm. Mein Rücken war eine einzige Narbe.
    »Du wirst es überstehen«, sagte ich.
    Roger lachte traurig. »Du bist Soldat. Du kannst so was ertragen. Ich bin nur ein Zef, ich bin das nicht gewohnt. Aber das ist jetzt auch egal.« Er ließ den Kopf hängen.
    »Ich muss dich jetzt zu meinen Kameraden bringen«, sagte ich und klopfte mir den Staub von der Uniform.
    »Sie werden mich töten, weil ich dich angegriffen habe«, flüsterte er matt.
    Ich zuckte mit den Schultern und stieß Roger vor mir her, der wie ein Schaf lostrottete.
    »Ich habe ihn!«, rief ich. Drei Kameraden stürzten sich auf Roger und prügelten auf ihn ein. Er schrie. Prüm trat ihm in den Hintern, so dass er mit dem Gesicht in den Matsch fiel und erstarrt liegen blieb. Er rechnete wahrscheinlich damit, eine Kugel in den Rücken zu bekommen.
    Sönn musterte mich schweigend.
    »Deine Uniform ist schmutzig«, sagte er nach einer Weile. »Und was sind das für Flecken an deinem Hals?« Seinen scharfen Augen war nichts entgangen.
    »Bin ausgerutscht, als ich ihn fangen wollte«, antwortete ich. Als Sönn nichts sagte, fügte ich hinzu: »Und gegen einen Tisch geprallt.«
    Er sah mich prüfend an. Nach einer Weile nickte er und sah zu Roger, der mit gesenktem Kopf zwischen den Wachen hing und seine ausgetretenen Stiefel im Dreck schleifen ließ.
    Prüm kam grinsend angeschlendert. »Alle Achtung. Den hast du sauber zur Strecke gebracht.«
    »Und wo warst du?«, fragte ich, den Spott in seiner Stimme ignorierend. »Du kennst die Vorschrift. Niemals allein ein Gebäude betreten.«
    »Scheiß auf die Vorschrift«, sagte Prüm und spuckte in hohem Bogen aus. »Die Hintertür war abgeschlossen, und außerdem hast du mich ja nicht gebraucht.«
    Er grinste dreckig und sah zu, wie sie Roger an einen Pfahl banden. »Komm, lass uns zusehen, wie sie das arme Schwein durchprügeln.« Ich ließ ihn stehen und ging hinter das Gemeindehaus, um zu pinkeln.
    Aus einem Gefühl heraus kontrollierte ich die Hintertür. Sie war unverschlossen. Prüm hatte gelogen. Außerdem führten seine Fußspuren ins Gemeindehaus.

02
    Prüm war mein Bruder, und ich hasste ihn. Ab dem zehnten Jahr bekam jeder Rekrut einen »Bruder« an die Seite. Einen Kameraden, mit dem er auf Gedeih und Verderb verbunden war. Das Schicksal und Sönn hatten Prüm und mich ausgewählt. Vermutlich waren sie der Ansicht, dass wir zueinander passten. Doch das Gegenteil war der Fall. Wir konnten uns vom ersten Moment an nicht leiden. Richtig schlimm wurde es, als wir das Überlebenstraining hinter uns bringen mussten. Sönn hatte uns dazu, weit weg von der Kaserne, im Wald ausgesetzt. Innerhalb von drei Tagen mussten wir den Weg zurückfinden. Ohne Waffen und ohne Werkzeug, nur auf unsere Hände und unseren Spürsinn angewiesen. Das war nicht einfach, in den dichten und sumpfigen Wäldern.
    Am ersten Abend hatte Prüm einen Biber mit einer Weidenrute gefangen. Meine Aufgabe war es, das Tier mit einem angespitzten Pflock zu töten.
    »Los, mach schon«, rief Prüm und hielt den zappelnden und quiekenden Biber fest.
    Als ich den Pflock ansetzte, spürte ich den Herzschlag des Tieres unter meinen Fingern und zögerte.
    »Ich kann das Scheißvieh nicht halten«, rief Prüm und musste fluchend den um sich beißenden Biber loslassen. Wir sahen dem Tier nach, das krachend im Unterholz verschwand.
    »Das war unser Abendessen, du Idiot. Was bist du bloß für ein Schwächling?«, brüllte Prüm und schlug mir ins Gesicht. Ich stürzte mich auf ihn, und wir kämpften verbissen, bis ich ihn zu Boden drückte und ihm den Pflock an die Kehle presste. Die Spitze bohrte sich tief in seine Haut, in der Kuhle sammelte sich bereits etwas Blut.
    »Na los, mach schon«, keuchte Prüm.
    Es hätte nicht viel gebraucht, um das dünne Fleisch an seinem Hals zu durchbohren, aber ich brachte es nicht
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