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Das Ende der Nacht: Horror-Roman

Das Ende der Nacht: Horror-Roman

Titel: Das Ende der Nacht: Horror-Roman
Autoren: Nikolas Preil
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im Halbdunkeln betrachtete, in dem er mit Maria ihren gemeinsamen Sohn gezeugt hatte, spürte er... nichts. Keine Reue, keine Schuld. Er hätte ihr ebenso gut Blumen mitbringen können anstatt ihren Kopf zu zerschießen. Beides hätte dasselbe in ihm ausgelöst. Gleichgültigkeit. Und trotzdem war ihm wichtig, wie es Kevin ging. Und was im Nachbarhaus los war. Schließlich wohnte dort sein Bruder mit seiner Familie und während Günther mit seiner Frau auf dem Bankett geblieben war – ihn hätte ich umbringen sollen – verbrachte Christina, so weit er wusste, den Abend mit ihrer besten Freundin, um sich Horrorfilme anzuschauen. Wie passend. 
    Er zog sich den Halfter über, dann eine Regenjacke und verließ das Haus wieder dort, wo er es betreten hatte. Er war gerade mal fünfzehn Minuten weg gewesen, doch der Junge war aus dem Auto verschwunden. Wo ist er hin, verdammt noch mal?  
    Wenn alles mit allem zusammenhängt, lieber Xaver, dann weißt du doch ganz genau, wo er ist. Da wolltest du doch sowieso hin, oder nicht?
    Wieso nicht? Vielleicht hatte der Junge in seiner Neugier das Auto verlassen. Vielleicht hatte sein Licht ihm gesagt, aus dem Wagen zu steigen und nach drüben zu gehen. Xaver verließ sein Grundstück und ging hinüber auf das seines Bruders. Das Gefühl, das Wissen wurde intensiver, ein Kitzeln, ein Kratzen, ein Aufschrei. Als er an der Haustür klingelte, wurde ihm bewusst, was es tatsächlich war: eine Warnung.
     

Kapitel Zwei
    Horrorfilm-Abend
     
     
    I
     
    Christina hatte sturmfrei. Ihre Eltern waren zu einem Bankett in Pinneberg eingeladen und hatten ihrer Tochter erlaubt, zusammen mit Michelle ihren klassischen Horror-Video-Abend im Wohnzimmer zu begehen. Dort, wo der Fernseher größer war und die Anlage den Surround-Sound besaß.
    Eine Kerze verbreitete ihren warmen Schein vom Fernseher aus über das Szenario. Christina lag auf dem braunen Wildledersofa in der Mitte des Zimmers und Michelle testete seit geraumer Zeit den neuen Fernsehsessel der Baumeisters, der direkt daneben stand. Günther hatte ihn gekauft, als leidenschaftlicher Teilnehmer an Live-Übertragungen irgendwelcher Sportereignisse, die den Rest der Familie nicht interessierten. Michelle spielte mit den Knöpfen der Rückenlehnen-Automatik, die sich am linken Sesselarm befanden, und glitt aus der liegenden in die sitzende Position und wieder zurück. Direkt vor den beiden Mädchen, auf dem großen, schwarzen Marmortisch, standen eine Glasschüssel, halbvoll mit Popcorn, zehn leere Dosen Bier, ein vollgestopfter Aschenbecher und drei Schachteln Zigaretten. Um den Fernseher herum verteilten sich die Hüllen der Filme, die sie sich von Freunden und aus der Videothek geliehen hatten.
    Neben obligatorischen Wir-machen-einen-Horrorabend-Filmen wie Halloween und A Nightmare on Elm Street befanden sich auch Schmuckstücke der Horrorfilm-Szene darunter: die gänzlich ungeschnittene Version von Haus der 1000 Leichen , die mittlerweile in Deutschland verboten worden war, zwei Clive Barker-Kurzfilme und ein Independent-Film aus England mit dem Titel Bloodletting. Eindeutig ihr Lieblingsfilm. Und nur Stanley Kubriks Stephen King-Adaption Shinning und der italienische Kunst-Horrorfilm Suspiria von Dario Argento standen noch geordnet und aufrecht neben dem Fernseher.
    Seit ihrer Kindheit liebten die beiden Horrorfilme, und seit sie sich kennengelernt hatten, schauten sie sie stets gemeinsam. Mit einem Auge für Details und Fehler und einer besessenen Leidenschaft für Dialoge, diskutierten sie häufiger über Szenen, Inhalte oder Techniken aus so ziemlich jedem Film, den sie kannten. So kam es nicht selten vor, dass sie auf der Straße, in Restaurants oder anderen Örtlichkeiten seltsam angeschaut wurden, weil sie sich über die Zerstücklungseffekte der Tanz der Teufel -Trilogie amüsierten. Selbst wenn ihnen böse Blicke zugeworfen wurden; wenn Christina zum Beispiel lauter als sie eigentlich wollte, behauptete, die zuckenden Gliedmaßen seien zu unblutig und ohne freiliegende Gedärme gewesen, dass die Szene keinen Bezug zur Realität hatte; war es für die beiden ein Spaß, den sie keinesfalls missen wollten. Aus ihren Filmkenntnissen heraus hatten sie ein Spiel entwickelt, dass sie Kenner nannten. Sollte eine der beiden den Film nicht kennen, den die andere zuvor genannt hatte, gab es einen Strafpunkt. Christina hatte schon zwölf, Michelle neun.
    An jenem Abend im Juni bestand ihre Freundschaft seit fast drei Jahren und sie
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