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Das Ende Der Ausreden

Titel: Das Ende Der Ausreden
Autoren: Brigitte Roser
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hat, den Zitronenbaum zu gießen? Entweder er ist vertrocknet, dann ist es eh zu spät, oder er hat überlebt, und es ist gut. Welchen Vorteil hat es, wenn ein Vorgesetzter weiß (oder meint zu wissen), warum ein Mitarbeiter einen Fehler in der Abrechnung gemacht hat? Die echte Antwort ist längst bekannt: Die Putzfrau hat es vergessen, der Mitarbeiter hat einen Fehler gemacht. Machen wir nicht mehr daraus, als es ist.
    Wenn jemand durch das Warum beschuldigt wurde (und es fühlt sich immer beschuldigend an, machen wir uns da nichts vor!), dann geht seine Intelligenz hurtig in die Ausreden-Werkstatt und sucht nach etwas Passendem. Vielleicht eher was aus dem Regal »Mitleid erzeugen«, aus dem Giftschrank »Du bist auch nicht besser!« oder der Schublade »Es war in Wirklichkeit ganz anders!«.
    Die Intelligenz ist mit Abwehr der Beschuldigung beschäftigt und die Gefühle vermutlich mit Groll, schlechtem Gewissen oder Empörung. Somit stehen weder Verstand noch Emotion zum produktiven Denken zur Verfügung. Man ist gerade aushäusig und bastelt Begründungen.
    Sowohl im privaten Umfeld als auch in ungezählten Büros vernichten wir mit Warum-Fragen Produktivität. »Warum« ist so wie »Wie konnte das passieren??« und vermittelt wenig subtile Bedrohung. Viel Zeit und Energie werden in Firmen dafür aufgewendet, einen Schuldigen zu liefern oder wenigstens eine plausible Entlastung zu konstruieren. Es ist anzunehmen, dass die gespürten oder tatsächlichen Kosten zur Bewirtschaftung einer Warum-Frage umso teurer werden, je höher die Hierarchieebene ist, aus der sie gestellt wird.
    Ich erinnere mich noch, wie ein Vorstand eines großen Unternehmens, Herr P., in einem Skiurlaub an der Bar von einem Kollegen eines anderen Unternehmens gefragt wurde, warum in seinem Geschäftsbericht eine bestimmte Kennziffer fehle und wie es sich mit ihr verhalte. Leider fiel Herrn P. dazu keine passende Antwort ein, und das störte ihn beträchtlich. »Kein Problem! Das lasse ich umgehend klären!« So rief er, Urlaub hin, Urlaub her, in der Firma an und hinterließ das »Warum und Wie« ärgerlich im Vorstandssekretariat. Mit der dringenden Bitte um Aufklärung. Die Maschinerie begann sich hektisch zu drehen, Heerscharen von Menschen in Fachabteilungen suchten nach einer Antwort. Aktennotizen wurden erstellt, Unteraufträge erteilt, interne Telefonrechnungen in die Höhe getrieben. Zwischenzeitlich war aus St. Moritz bereits Unmut vermeldet worden, die Klärung dauere zu lange. Das Problem war: Es gab keine Antwort. Niemand kannte die Zahl genau, es war auch nicht möglich, sie aus dem vorhandenen Datenmaterial zu ermitteln oder zu rekonstruieren. Ein beherzter Abteilungsleiter hatte schließlich eine großartige Idee und erfand eine Zahl. »3,5« wurde nach St. Moritz telefoniert. Alle atmeten auf.
    Später hat jemand (ich glaube, es war der Erfinder) einmal ausgerechnet, dass der Versuch, die Frage zu klären, rund zweihundert Mannstunden gekostet hatte. Eine Ausrede kann – wenn sie schnell zur Hand ist – viel Geld und Zeit sparen...
    »Warum hast du diesmal in Deutsch nur ein Befriedigend erzielt?« Fantastischer Auftakt für die fröhliche Zeugnisbetrachtung. Als ob die Tochter nicht genug damit zu tun hätte, sich selbst darüber zu ärgern, wenn sie eigentlich eine Zweierkandidatin ist. Wenn ihr die Noten egal sind, hilft die Frage auch nicht sonderlich. Wie man es dreht und wendet: Das Warum beschämt, ärgert, fordert Rechtfertigung und erzeugt unproduktive Begründungen.
    Man prüfe also, was man wirklich will. Eine mehr oder weniger originelle Ausrede, eine gezündete Eskalationsstufe, ein grimmiges Schuldeingeständnis, das nach Revanche schreit – oder vielleicht eine konstruktive Hinwendung auf das, was man jetzt tun könnte, um die Situation zu verbessern.
    Ist man an produktivem Miteinander interessiert, dann gibt es zwei Empfehlungen: Man lasse als Fragesteller so oft wie möglich vom Warum ab. Und als Gefragter wäge man immer ab, was mehr Nachteile hat – das Warum zu beantworten oder es zu lassen. Eine der schlüssigsten Antworten ist immer noch die, die Kinder eine Zeit lang, ehe sie zum Ausredenerfinden erzogen wurden, unbefangen geben: »Warum willst du denn den Onkel Doktor nicht in deinen Hals schauen lassen?« – »Darum!«

3 Wir leiden lieber als zu handeln – Ausreden sind unsere Komplizen dabei

    Mit Ausreden sind wir höflich, machen es uns bequem, verschaffen uns Zeit und verschieben kleine und
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