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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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zukneifen muss.
    Die Welt jenseits der Grenzen aus Stahl und Glas dieses Hochhauses scheint plötzlich unwiederbringlich verloren.
    „Was wollen Sie denn hier?“
    „Ich komme, um Herrn Atsuo Okuda zu sehen.“
    „Herr Okuda hat uns nicht über Ihr Kommen informiert.“
    „Hören Sie, wenn Sie mich nicht durchlassen, bekommen Sie Ärger.“
    „Von wem?“
    „Herr Okuda braucht mich.“
    „Sie müssen mir sagen, was Sie hier wollen.“
    „Dazu bin ich nicht befugt.“
    „Von wem?“
    „Von Herrn Okuda!“
    „Hmm.“
    „Und Sie könnten ja einer sein, der mich auf die Probe stellen soll.“
    „Ich habe Anweisungen, niemanden durchzulassen, der sich nicht ausweisen kann.“
    „Das ist nicht wahr. Das ist mir noch nie passiert.“
    „Sie wissen, dass heute eine andere Lage ist. Haben Sie nicht von dem Unglück gehört? Es steht in allen Zeitungen. Es hat ganze Straßenzüge vernichtet.“
    „Das ist egal. Ich habe meine Anweisungen.“
    „Ich auch.“
    „Wie lange wollen wir damit noch Zeit verlieren? Und nehmen Sie bitte das Licht aus meinem Gesicht? Es stört mich.“
    Das Licht blinkt drei Mal und wird dann dunkler. Kazumis Pupillen brauchen einen Augenblick, um sich anzupassen, erst danach erkennen sie, wie das Hirn gegenüber aussieht. Der Pförtner, der ihr den Eintritt verwehrt, ist ein Zigarettenautomat.
    „He, sind Sie da drin? – Kazumi schlägt mit der flachen Hand auf die Knöpfe der Maschine.“
    „Ich bin die Maschine. Tun Sie mir nicht weh.“
    Im Rhythmus der Abfolge der Silben blinken auf der Acryloberfläche die Lichter der verschiedenen Zigarettenmarken in allen Farben. Kazumis Gesicht und der Tunnel dahinter flimmern in diesem diffusen Licht.
    „Wieso rede ich eigentlich mit einem Zigarettenautomaten?“
    „Das könnte ich ebenfalls fragen.“
    „Lassen Sie mich durch, bitte.“
    „Was würden Sie tun, damit ich Sie durchlasse?“
    „Ich könnte Ihren Stecker herausziehen.“
    „Seien Sie doch nicht dumm. Ich kann alles Mögliche sein. Und Sie wissen das, Kazumi …“
    „Woher kennen Sie meinen Namen?“
    „Sie sind sehr berühmt, hier bei uns im Unterseeboot.“
    „Wieso?“
    „Unter anderem deswegen, weil Ihre Proportionen geometrisch exakt sind. Alle Proportionen Ihres Körpers besitzen euklidisch exakte Abmaße und Winkel, bis auf die millionste Stelle hinter dem Komma. Was Sie für Frauen und Männer so anziehend macht, ist, dass Sie eine Ansammlung von auf wundersame Weise harmonischen Vielecken sind, das einzige menschliche Wesen von dieser geometrischen Präzision.“
    „Das ist Schwachsinn!“
    „Nein, ist es nicht. Sie wissen, dass Sie nicht wirklich schön sind. Jedenfalls nicht schöner als Ihre Kolleginnen im Club. Und trotzdem sind Sie so erfolgreich. Das liegt daran, dass die Menschen Geometrie brauchen, auch wenn sie es nicht wissen.“
    „Sie sind verrückt.“
    „Und Sie sind eine Abart der Menschheit, die einzige perfekt proportionierte Frau des Planeten, und Sie reden mit einem Zigarettenautomaten. Wie fühlen Sie sich, jetzt wo Sie wissen, dass Sie nichts sind als eine Ansammlung von Maßen? Sie sind Ihr Körper, und weiter nichts.“
    „Halten Sie die Klappe!“
    „Ich kann Ihnen das Datum Ihres Todes nennen. Wollen Sie es wissen?“
    „Natürlich nicht.“
    „Und wenn ich Ihnen nur Tag und Monat sage?“
    Der laute Klang eines Mikrofons unterbricht das Gespräch und macht Platz für Herrn Okudas Stimme, die nun durch den Korridor schallt. Der Automat dürfe Kazumi durchlassen, sagt mein Vater. Ohne Herrn Okudas Befehl zu hinterfragen, verschwindet der Automat auf seinen kleinen metallenen Rädchen aus dem Sichtfeld des Periskops in Richtung einer Gittertür an der Seite. Die Tänzerin Kazumi steht wieder im Dunkeln und braucht jetzt nur noch zwei Schritte zu gehen bis zum Raum 1212, in dem Herr Okuda sich befindet.
    „Wie sind Sie hier hereinkommen? Wenn sogar ich mich bücken musste …“
    „Nach dem Unglück gestern muss ich dort nicht mehr durch.“
    Herr Okuda bleibt reglos im Halbdunkel. Die Tänzerin Kazumi kann, wie wir auch, nicht erkennen, was außerhalb des Lichtkegels ist, der auf der Tischplatte beginnt und in dem Strahl im Inneren einer Metallkuppel endet, die von der Decke herabhängt. Also ein schwarzes Telefon, Arme, Beine, den Kimono, Rumpf und fast den gesamten Körper von Herrn Okuda mit Ausnahme der rechten Hand, die nun die Maisstrohzigarette zum Aschenbecher bewegt, den wir, wie Kazumi, nicht sehen. Kein Licht
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