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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bendler.« Kummer wandte sich zu ihm um. »Aber ich halte Distanz von allem, was gegen Gesetz und Sitte ist! Ich achte den Menschen, auch wenn ich ihn als Kreatur hasse. Das ist nicht Widerspruch, sondern eine eurem Geiste unmögliche Konsequenz. Der verstoßene Liebhaber wird die Immergeliebte hassen – und trotzdem weiterlieben –, ich, der Verachtete, achte die Menschen, die mich verstoßen. Denn – und das ist die letzte Wand, die uns trennt – ich glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an den weiten Raum des ordnenden Geistes!«
    Langes Schweigen folgte nach diesen Worten. Bendler hatte den Kopf auf die Brust gesenkt, lehnte an die kalte Holzwand und sann. Otto Heinrich schlug den Mantel enger um den frierenden Körper und starrte durch das kleine Fenster in die Sterne.
    »Laß uns nicht mehr davon sprechen«, sagte Bendler endlich langsam. »In wenigen Tagen bin ich in Böhmen. Wir gehen dann unsere Wege. Vielleicht treffen wir uns irgendwo einmal, dann soll die kurze Stunde der Erinnerung gehören und mit der Nacht verblassen. Ein jeder Mensch muß ja sein eigenes Leben leben, am Ende, bester Freund, stirbt jeder doch für sich allein! – Nur einen Wunsch noch habe ich: Verberge mich diese Nacht und den Tag über bei dir. Wenn es wieder dunkelt, werde ich in den Wäldern untertauchen – für immer!«
    Otto Heinrich nickte. Er streckte dem Freund die Hand hin und fühlte einen dankbaren Druck.
    »Komm, Bendler«, sagte er. »Du sollst das Wiedersehen nicht bereuen!«
    Als Bendler in die kleine Kammer trat, blieb er einen Augenblick stehen und sah sich um.
    »Nichts hat sich verändert«, sagte er leise. »Der Tisch, die Lampe, der Ofen, die alte Waschschüssel und die steinharten Betten.« Er ging zu seiner früheren Bettstelle. »Heinrich, Heinrich, mir graut vor dir!« rief er lachend. »In dieser Umgebung kannst du atmen?! Ich würde hier ersticken, wenn ich es länger als einen Tag aushalten sollte!«
    Otto Heinrich kniete vor dem Ofen und versuchte die glimmende Glut anzublasen. Er legte einige Scheite trockenes Holz darauf und blies so lange, bis sich eine kleine Flamme emporringelte. Dann schloß er schnell die Ofentür vor dem beißenden Qualm.
    »Du willst dich sicherlich waschen und rasieren«, sagte er zu Bendler, den er erst jetzt im Schein der Lampe richtig betrachten konnte. »Du siehst aus wie ein Vagabund …«
    »Bin ich auch …«
    »… und Ruhe brauchst du auch! Wasser, mein Rasiermesser, Seife und alles, was du brauchst, kannst du nehmen!«
    Bendler nickte und begann sich zu entkleiden.
    Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte, griff er nach einem Flacon und träufelte sich ein Parfüm auf die Handfläche, mit dem er sein geschabtes Kinn einrieb.
    »Pariser Düfte …«, er lachte. »Der Segen der Kultur … habe ich lange und gern entbehrt!«
    »Aber du nimmst es doch!«
    Bendler zuckte die Achseln.
    »Der Mensch ist von Natur aus schwach für alle Reize.«
    Er lachte wieder schallend, riß die Decken seines Bettes zurück und warf sich mit dem ganzen Körper hinein, wie es bei ihm Gewohnheit war. Laut krachte das Gestell in allen Fugen.
    »Gute Nacht«, sagte er noch und drehte sich auf die Seite. »Und vergiß nicht, mich morgen einzuschließen. Es wäre für Knackfuß ein Herzschlag, wenn er mich hier fände!« Er gähnte laut. »Diese Müdigkeit – zwei Tage und Nächte auf den Sohlen, das geht in die Knochen, und endlich ein Bett. Heinrich, du bist eine treue Seele.«
    Er schwieg und atmete tief. Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.
    Otto Heinrich löschte die Lampe und lag noch lange wach.
    Er unterdrückte in seiner Brust das Gefühl, mitschuldig an der Flucht eines Mörders zu werden.
    Doch dieser Mörder rettete durch seinen Mord den Vater.
    Aber Mord bleibt Mord! Auch der Mord als edle Tat!
    Otto Heinrich fror und zog die Decke bis zum Hals.
    Warum denken … wie seltsam ist das Spiel des Schicksals … Ein Freund ist in Gefahr, darf man da zögern …?
    Im Dunkel der folgenden Nacht tauchte Willi Bendler unter.
    Noch einmal umarmten sich die Freunde, dann hastete der Riese in langen Sätzen dem Walde zu. Über Lauterstein und Marienberg wollte er an die Grenze und von dort nach Brüx an der Biela. Sein Freikorps, das sich bei Klostergrab sammelte, würde dann bei Burg Purschenstein wieder über die sächsische Grenze treten und versuchen, die Freiberger Mulde hinauf nach Meißen zu ziehen. Von dort aus sollten die Dinge ihren weiteren Lauf nehmen.
    Voller
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