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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage
Autoren: Dolores Redondo
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Sie deutete auf das goldbraune Kuchenstück auf der glattrasierten Scham. Alle hatten es bereits bemerkt und betrachteten es angewidert.
    »Das ist einfach eine Schweinerei. Können diese Irren nicht einfach töten und basta? Was muss in jemandem vorgehen, dass er so was macht?«, rief Etxaide.
    »Darin besteht dein Job, mein Junge: Du musst dich in diese Schweine hineinversetzen«, belehrte ihn Montes. »Wurde sie vergewaltigt?«, fragte er dann Dr. San Martín.
    »Ich denke nicht, aber um sicher zu sein, muss ich sie erst gründlich untersuchen. Die Inszenierung deutet allerdings auf einen sexuellen Hintergrund hin: die zerschnittene Kleidung, die entblößte Brust, die rasierte Scham, das Kuchenstück … Sieht aus wie Butterkuchen oder …«
    »Das ist ein Txantxangorri«, erklärte Amaia, »ein typischer Kuchen aus der Gegend hier. Ist zwar kleiner als die, die ich kenne, aber es ist eindeutig ein Txantxangorri. Besteht aus Mehl, Eiern, Zucker, Hefe und Schmalz, das Rezept ist uralt. Jonan, sorg dafür, dass eine Probe entnommen wird. Und dass mir ja nichts davon nach außen dringt, die Sache mit dem Kuchen bleibt vorerst unter Verschluss.« Alle nickten.
    »Wir sind fertig, Dr. San Martín, jetzt sind Sie dran. Wir sehen uns in der Rechtsmedizin.«
    Amaia stand auf und warf einen letzten Blick auf das Mädchen, bevor sie den Aufstieg in Angriff nahm.

2
    I nspector Montes trug eine brombeerfarbene Seidenkrawatte, die auffällig und zweifellos teuer war. In Kombination mit seinem lilafarbenen Hemd verlieh sie ihm durchaus eine gewisse Eleganz, aber auch eine schockierende Ähnlichkeit mit einem Polizisten aus Miami Vice . So ähnlich dachten wohl auch die beiden Beamten, die mit ihnen im Fahrstuhl fuhren, wie Amaia an den spöttischen Blicken ablas, die sie einander beim Aussteigen zuwarfen. Montes hatte es offenbar ebenfalls bemerkt, ging aber eingehüllt in die Duftwolke seines Armaniparfüms weiterhin stoisch die Notizen auf seinem Organizer durch.
    Die Tür des Konferenzraums war schon zu. Als Amaia gerade die Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde sie von innen geöffnet, als hätte der Beamte die ganze Zeit dort gestanden und auf sie gewartet. Er trat beiseite und gab den Blick frei auf einen großen, hellen Raum, in dem mehr Leute versammelt waren, als sie erwartet hatte. Der Comisario saß am Kopfende, zwei Stühle rechts von ihm waren noch frei. Er forderte sie auf, Platz zu nehmen, und machte, während sie den Raum durchquerten, alle miteinander bekannt.
    »Neu hinzugekommen sind Inspectora Salazar und Inspector Montes. Und hier am Tisch versammelt sind Inspector Rodríguez von der Kriminaltechnik, Dr. San Martín von der Rechtsmedizin, Subinspector Aguirre vom Drogendezernat, Subinspector Zabalza und Inspector Iriarte vom Kommissariat in Elizondo. Der Zufall wollte es, dass die beiden Letzteren gestern, als die Leiche gefunden wurde, nicht vor Ort waren.«
    Amaia gab allen die Hand und nickte denen, die sie bereits kannte, freundlich zu.
    »Inspectora Salazar, Inspector Montes: Ich habe diese Versammlung anberaumt, weil dieser Fall vermutlich weitere Kreise ziehen wird, als wir ursprünglich dachten«, sagte der Comisario, setzte sich und forderte alle Anwesenden auf, es ihm nachzutun. »Inspector Iriarte hat sich heute Morgen mit uns in Verbindung gesetzt, um uns etwas mitzuteilen, was für den Fall, den Sie gerade bearbeiten, von Wichtigkeit sein könnte.«
    Inspector Iriarte beugte sich vor und legte seine großen Hände auf den Tisch, die wie geschaffen schienen für Aizkolari, den baskischen Nationalsport des Holzhackens.
    »Vor einem Monat, am fünften Januar«, erklärte Iriarte mit Blick auf sein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch, das in seiner großen Hand fast verschwand, »fand ein Schäfer aus Elizondo, der seine Tiere zum Tränken führen wollte, am Fluss die Leiche der siebzehnjährigen Carla Huarte. Verschwunden war das Mädchen in der Silvesternacht. Sie hatte mit Freunden die Diskothek Crash Test in Elizondo besucht und war gegen vier Uhr morgens mit ihrem Freund von dort im Auto aufgebrochen. Eine Dreiviertelstunde später kam er allein wieder zurück und erklärte einem Freund, Carla und er hätten sich gestritten und sie sei wütend ausgestiegen und zu Fuß weitergegangen. Besagter Freund überzeugte ihn davon, dass er sie suchen müsse, und eine Stunde später trafen sie an der Stelle ein, an der Carla ausgestiegen war. Von dem Mädchen keine Spur. Trotzdem waren
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