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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman
Autoren: Anne Perry
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ausschließlich über Sixsmith. Sie waren tief unter der Erde und saßen in einiger Entfernung vom Dröhnen der Maschine auf großen Steinbrocken. Es war ein alter Tunnel, in dem man Schutt abgeladen hatte, statt ihn nach oben zu schaffen. Das ständige Tröpfeln von der Decke füllte die Luft mit Feuchtigkeit und dem Gestank von Abwasser. Das Hämmern und Stampfen der Maschine mochte hier nur gedämpft zu hören sein, das Kratzen von Rattenfüßen war dafür umso näher. Die Echos der Stimmen um sie herum hallten so lange wider, bis es unmöglich war zu bestimmen, aus welcher Richtung sie kamen. Von allen Seiten drängte die Dunkelheit heran und erstickte das matte Laternenlicht. Sie konnten dicht unter der Oberfläche sein oder Hunderte von Metern tief unten. Monk versuchte, diesen beklemmenden Gedanken von sich zu schieben und den Druck in seinem Magen zu ignorieren.
    Rathbone trank ein paar Schlucke Wasser, hatte aber keinen Appetit auf das grobe Brot. Immerhin schaffte er es, kein angewidertes Gesicht zu machen.
    »Miss Havilland hat also Mr. Sixsmith um seine Unterstützung gebeten?«, fragte er zum wiederholten Mal.
    »Ja«, brummte der Arbeiter ihm gegenüber, ein goßer Mann mit tonnenförmiger Brust, blondem, an der Stirn schon sehr schütterem Haar und einem freundlichen, wettergegerbten Gesicht. »Und er hat ihr geholfen, ganz klar. Hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um ihr alles zu zeigen, was sie sehen wollte. Hatte es bei ihrem Vater auch schon so gemacht.«
    »Dieselben Informationen?«, fragte Rathbone.
    »Ich denke schon.« Der Navvy legte die Stirn nachdenklich in Falten. »Er hat ja allen möglichen Leuten geholfen. Hat nie was verborgen. Er muss Miss Havilland alles gesagt haben, was sie von ihm wissen wollte, denn nach ihrem Gespräch mit ihm war ihr auf einmal klar, dass sie ihren Vater ermordet hatten. Oder wenigstens glaubte sie das.«
    Rathbone warf Monk einen Blick zu, um sich gleich wieder dem Arbeiter zuzuwenden. »Ich glaube, so langsam verstehe ich das Ganze, Mr. …?«
    »Finger«, sagte der Navvy, »weil ich mal’nen Finger verloren hab. Schaun Sie …« Er hielt die linke Hand hoch. Der Mittelfinger fehlte komplett.
    »Danke.« Rathbone sah kurz hin. »Sagen Sie, Mr. Finger, hat Mr. Toby Argyll auch mit Mr. Sixsmith zusammengearbeitet?«
    Der Mann entblößte mit einem Grinsen eine größere Lücke zwischen den Vorderzähnen. »Nur ›Finger‹. Klar hat er das gemacht. Mr. Toby war ganz begierig darauf, alles über die Maschine zu erfahren, und keiner kannte sie so gut wie Mr. Sixsmith. Mr. Toby war ständig hier unten.«
    »Bis zu Miss Havillands Tod im Fluss?«, fragte Rathbone.
    »Ja, sogar am Tag davor war er noch da.«
    Plötzlich verstand Monk, worauf Rathbone hinauswollte und dass er in Gedanken vielleicht schon einen Schritt weiter war. »Finger«, sagte er eilig, »warum hat Toby überhaupt Sixsmith über die Maschine befragt und nicht seinen Bruder, Alan Argyll?«
    »Vielleicht wollte sein Bruder es ihm nicht sagen«, schlug Rathbone vor, den Blick fragend auf Finger gerichtet.
    »Keiner kennt die Maschinen so gut wie Mr. Sixsmith«, erklärte Finger im Brustton der Überzeugung.
    »Aber Mr. Alan war doch derjenige, der die Veränderungen ausführte, die die Maschinen der Argyll Company so viel besser machten als die aller anderen«, wandte Monk ein, bevor Rathbone etwas fragen konnte.
    »Sie haben ihm gehört, das ja«, sagte Finger, »aber der, der sich das alles ausgedacht hat, war Sixsmith. Er kannte sie besser als Argyll, und das schwör ich Ihnen beim Grab meiner Mutter, Gott hab sie selig.«
    »Ah!« Monks Anspannung ließ nach. Er richtete den Blick auf Rathbone. »Mr. Sixsmith war also der Kopf des Ganzen, aber Mr. Argyll erntete den Ruhm und das Geld. Ich könnte mir vorstellen, dass er darüber mehr als nur ein bisschen unglücklich war.«
    Sie bedankten sich bei Finger, der ihnen noch den Weg zu einem Auskehrer wies, von dem sie mehr erfahren würden.
    Sie waren etwa eine Meile weit gelaufen, als ein schwaches Beben in der Erde zu spüren war. Unmittelbar darauf veränderte sich der Rhythmus der Maschine geringfügig.
    Monk packte das nackte Entsetzen. Kalter Angstschweiß trat ihm aus allen Poren.
    Rathbone erstarrte.
    »Riechen Sie was?«, flüsterte Sutton.
    »Etwas riechen?«, ächzte Rathbone. »Den Gestank der Kloake, um Himmels willen! Wie kann ein Mensch den nicht bemerken?«
    Sutton stand völlig reglos da. Im flackernden Laternenlicht ließ sich
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