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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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sich die Bugleine um die Hand und schob das Schiff mit seinen Berserkerkräften vom Steg. Beinahe hätte er es nicht mehr geschafft, hineinzuspringen. Mit dem Kopf voran landete er auf den Bodenplanken, und die Männer lachten schallend, besonders unverschämt freute sich Alf aus Aslaks eigener Wache.
    Der »Graue Wolf« hatte das Wohlwollen Njörds. Eine kräftige Bö drückte den Bug ins Fahrwasser hinein, krängte das Schiff tüchtig, und schon blies Njörd von der richtigen Seite ins Segel und schob sie in zischender Fahrt im Bogen herum und am gegenüberliegenden Anleger vorbei. Wenige Augenblicke später befanden sie sich in der freien See und auf dem Kurs zur Insel Erri.
    Erwartungsvoll schaute Folke nach vorne. Der Himmel war heute zu verhangen, Erri war nicht zu sehen. Bei sichtigem Wetter hätten sie höchstens eine halbe Stunde segeln müssen, um das hohe bewaldete Land im Süden als dunklen Strich zu erkennen.
    Schoten und Brassen konnten stehenbleiben. Der Kurs war genau derselbe wie innerhalb der Schlei. Hjalti kannte die Segelanweisung, so wie alle erfahrenen Steuerleute die Hauptwege innerhalb des Wikingerreiches im Kopf hatten. Der Weg zwischen Haithabu und der Südspitze von Seeland war einer der allerwichtigsten, denn ob man nun nach Birka im Reich der Svear oder nach Skiringssal in Südnorwegen wollte, hier mußte man durch. Hrolf hatte Folke erzählt, daß Hjalti plante, in Visby auf Erri auf Högni zu warten. Für Högni würde es die letzte Tagesetappe sein, für Hjalti war es die erste. Auf der übrigen Strecke, wenn sie auch festlag, konnte einer den anderen verfehlen, wenn der eine gemächlich reiste, der andere aber über die See flog ... Nur Visby war ein sicherer Treffpunkt.
    Der »Graue Wolf« benahm sich tadellos. Ein gutes Schiff, dachte Folke erfreut, während er seine Beine ausstreckte, daß die Gelenke knackten, und sah sich um. Die Männer wechselten die Plätze und steckten die Köpfe zusammen. Aslak und Frodi hockten schon rittlings auf einer Bank und hatten zwischen sich eine Hneftafl mit Spielsteinen aufgestellt. Man merkte, daß sie sich auf eine Überfahrt von einigen Stunden einrichteten. Und noch eins hatte Folke inzwischen bemerkt: die Männer waren keineswegs ein Herz und eine Seele, und da war nicht nur der Bernstein schuld. Obwohl der ihre Gemüter und die Finger besonders anfeuerte. Im Windschutz der Zeltleinwand kauerten Bolli, Bard und Alf, zwischen sich den Bernstein, den sie aus ihren Lederbeuteln schütteten, und noch andere kleine Gegenstände. Folke konnte nicht sehen, was es war, sicher war nur, daß sie Tauschgeschäfte tätigten. Ihre gedämpften Stimmen konnten nicht verbergen, daß es dabei auch Ärger gab. Sven richtete sich auf nichts ein. Steif saß er auf seiner Ruderbank und rührte sich nicht. Seine Augen irrten über die See, als suchten sie dort einen Punkt zum Festhalten. Unwillkürlich blickte auch Folke auf das Wasser. Je weiter sie sich vom Land entfernten, desto höher gingen die Wellen, sie kamen hinter ihnen her, schoben das Heck an und hoben es hoch. Folke sah Njörds fröhlichen Töchtern zufrieden zu. Ihre schaumigen Köpfe befanden sich in wildem Spiel miteinander, und der »Graue Wolf« mitten darin spielte mit.
    Weit entfernt von solchen Gedanken war Sven. Folke bemerkte belustigt die Schweißperlen auf seiner Nase, die im übrigen sehr bleich geworden war. Svens Adamsapfel tanzte auf und ab, während er den Speichel hastig schluckte. Er war im Begriff, seekrank zu werden.
    Hrolf hatte es ebenfalls gesehen. »Wenn ich du wäre«, sagte er beziehungsvoll zu Ulf, »würde ich meinen Schild wegnehmen. Es könnte sonst wohl sein, daß er heute abend ein wenig stinkt...«
    »Wieso?« fragte Ulf empört, hatte er doch den Spott, der Sven galt, wohl verstanden, aber auf sich bezogen. In diesem Moment sprang Sven bereits auf die Beine und hängte sich über die Bordwand, um sich zu übergeben.
    »Laß das!« schrie Ulf und stieß ihn fort. »Glaubst du etwa, ich kann Tyr mit Unrat am Schild unter die Augen kommen?« Folke wußte nun, daß Sven noch nie auf See gewesen war. Wenn er ihn nicht gutmütig von hinten am Wams festgehalten hätte, wäre er über Bord gegangen, als Ulfs Stoß ihn plötzlich von den Füßen riß und zufällig gleichzeitig der Bug besonders tief eintauchte. Folke bekam Sven mit der anderen Hand am Hosenboden zu fassen und zog ihn auf die Füße zurück.
    Die Männer lachten schallend. Mit Sven waren sie fertig, noch ohne
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