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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence
Autoren: Gisbert Haefs
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Nacken saß, als er mit mir telefoniert hat, ist, schätze ich, sehr nahe an einer Panik.«
    »Irgendwie sind wir vorhin vom Thema abgekommen. Erzähl mir noch was von Bronner.«
    »Wie gesagt: ein ausgeschlafenes Kerlchen. Er hat noch nie davor Angst gehabt, seine Nase in heiße Sachen zu stecken. Übrigens auch in heiße Höschen; er geht so ungefähr auf alles los, was in groben Umrissen von der männlichen Anatomie abweicht.«
    Ariane pfiff leise. »Klingt ja toll. James Bond persönlich, wie? Aber sag mal, was ist das mit den Assassinen, dem Mond von Sankt Remigius und dieser komischen Johannisbeere?«
    Matzbach runzelte die Stirn. »Was die beiden letzteren Punkte angeht, so habe ich meine Verdächte. Ich werde dir das alles auseinandersetzen, wenn wir da unten sind, vorher glaubst du mir ja doch nicht.«
    »Wie du meinst. Aber diese Assassinen. Das ist doch auf Englisch und Französisch ›Mörder‹, oder?«
    Baltasar verschränkte die Arme vor der Brust und hakte den linken Daumen unter den Sicherheitsgurt. »Hm hm«, machte er gedankenvoll. »Das ist schon richtig. Aber ich habe mich mal mit Bronner über die guten alten Zeiten im Mittleren Osten, die Etymologie und andere feine Dinge unterhalten. Daher weiß ich, daß er weiß, daß Assassinen eigentlich ›Haschischim‹, die Haschischkonsumenten, sind.«
    Ariane reichte ihm den Rest ihrer Zigarette. »Machst du sie mal aus? Wieso Haschisch, und wieso wird aus dem Haschischverbraucher ein Mörder?«
    »Das ist eine hübsche Geschichte. Es gab mal einen finsteren Gesellen, der später als ›Der Alte vom Berge‹ zitiert wurde. Dieser Mensch fand, es gebe viele unausstehliche Leute und man müsse dagegen etwas tun. Als er so in seiner Bergfestung Alamut hockte, kam ihm ein Gedanke. Er schnappte sich in den umliegenden Landen kräftige junge Männer, schleppte sie in seine Festung und warf sie in ein fieses Verlies. Nachdem sie da ein paar Tage bei Wasser und Knäckebrot zugebracht hatten, mischte er ihnen Drogen in ihre Diät. Sie schliefen ein. Als sie aber wieder wach wurden, waren sie
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und nicht mehr im Verlies, sondern in einem paradiesischen Garten, mit Milch und Honig und
girls, girls, girls
, genauso, wie der Koran das Paradies beschreibt. Da konnten sie sich ein paar Tage lang austoben. Dann kriegten sie wieder ihren Schuß, und wenn sie dann erwachten, lagen sie im vertrauten Verlies und vergossen bittere Zähren. Der Alte ließ sie da eine Weile rumliegen; anschließend, wenn sie so richtig schön
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waren, gab er ihnen den Auftrag, irgendwen umzubringen. Er hatte genug Kandidaten auf der Liste. Wenn sie, sagte er den armen Jungs, den Emir von Samarkand oder den Kreuzfahrer Kasimir den Bogenbeinigen umnieteten, würden sie wohl von deren Leibgarde abgemurkst werden, aber sofort wieder in dem Paradies erwachen, in dem sie vor kurzem noch den diversen menschlichen Lüsten oblegen hätten. Also zogen sie frohlockend in den Tod, und gegen Mörder, die keinen Wert darauf legen, nach der Tat mit heiler Haut zu entkommen, gibt es kaum eine Abwehrchance.«
    »Freundlicher Mensch, der Alte vom Berge. Und hat er es weit damit gebracht?«
    »O ja. Er und seine Nachfolger haben ungefähr hundertfünfzig Jahre lang zwischen Kairo und Kabul alles umgelegt beziehungsweise umlegen lassen, was ihnen nicht in den Kram paßte. Hübsche Terrortruppe und gut organisiert. Die Kreuzfahrer hatten manchmal auch mit ihnen zu tun, und weil sie mit dem Haschischwort nichts anfangen konnten, haben sie ein ähnlich klingendes Wort genommen und mit der Profession der Leute, dem Meuchelmord, verbunden. Wie du siehst, ist der gemeine europäische Assassine ein touristisches Mißverständnis; ich bin immer dafür gewesen, daß man anständig die Fremdsprache lernt, wenn man in ein anderes Land reist. Aber welcher Kreuzfahrer konnte schon Arabisch?«
    »Wie ist die Geschichte dann ausgegangen?«
    »Blutig; wie sonst? Wie gesagt, der ganze Mittlere Osten zitterte vor der Bande. Als dann, so um zwölfhundertsechzig, die Mongolen die ganze Gegend einkassierten, hat der damalige Herr der Festung Alamut wohl den Fehler gemacht, einen mongolischen Würdenträger umlegen zu lassen. Dessen Kumpels haben die Festung dann ein paar Jahre belagert; sie hatten ja Zeit. Am Schluß haben sie die ganze Sippe über die Klinge springen lassen. Marco Polo erzählt davon ganz nett.«
    Ariane seufzte. »So, jetzt weiß ich es. Was hat denn nun aber Bronner mit den Assassinen zu tun?«
    Baltasar
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