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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache
Autoren: Luise F. Pusch
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ungestempelten Exemplare sind oft begehrter und beschädigte Exemplare sind wertlos. Einen wesentlichen Unterschied allerdings gibt es — zum Glück: Frauen sind keine Briefmarken .«

    Frauen können ja auch keine Briefmarken sein, du Schlaumeier — weil nämlich Briefmarken Männer sind, genauer gesagt: Brüder!

    »Anhand der Katalogisierungen können Sie außerdem feststellen, daß sich langfristig gestempelte Wohlfahrtsmarken im Preis besser entwickeln als ihre postfrischen Brüder .«

    So die Siegerpost , »Deutschlands Briefmarkenzeitschrift mit der höchsten Auflage«, Heft 307, 1983, S. 35.

    Januar 1984

Explosion einer geschundenen Seele

    In der Serie »Verbrechen in Deutschland« der Welt am Sonntag berichtete Alex Baum am 13. 11 .1983 unter dem Titel »Einer 26jährigen Pädagogin war ihre Karriere wichtiger als ihre Familie« über den »Tod einer emanzipierten Frau«. Die emanzipierte Frau, Roswitha Dengler, starb in derNacht vom 9. zum 10. Januar 1983. Die Gerichtsmedizin stellte fest,

    daß Roswitha Dengler an zentraler Lähmung infolge Gewalteinwirkung am Hals (Würgen) verstorben sei.

    Der Ehemann, Ulrich Dengler, sagt,

    es sei zu einer Tätlichkeit gekommen, in deren Verlauf er seine Frau weggeschubst habe. Dabei sei sie zu Boden gefallen, und er habe feststellen müssen, daß sie tot sei.

    Weiter lesen wir in dem Bericht:

    Ulrich Dengler legte seine tote Frau ins Bad und verschloß es, damit sein Sohn Florian von der Sache nichts erfahre. Am folgenden Morgen frühstückten die beiden gemeinsam, und am Nachmittag, als Florian schlief, brachte er die unbekleidete tote Frau in den Keller und verstaute sie in Müllsäcken.

    Wir erfahren nicht, wie dem zartfühlenden Mordspapa das Frühstück schmeckte, warum er die Tote nackt auszog und was das »verstaute sie in Müllsäcken« zu bedeuten hat. Wie »verstaut« mann eine Tote in Müllsäcken (damit sie in den Kofferraum paßt, wo die Polizei sie schließlich fand)? Mich packt Grauen, Entsetzen... Von einem Beil, einer Säge ist nirgends die Rede, aber von einer Explosion:

    In der Nacht explodierte die geschundene Seele dieses Mannes. Bei einem Streit kam seine Frau ums Leben.

    »Geschunden« war die Seele dieses Mannes, so lesen wir, weil er

    sein Lebensideal darin sah, für seine Frau und seinen Sohn zu sorgen. Er opferte sich für die Seinen — bis er zum Pantoffelhelden wurde.

    ...er wusch Geschirr, wusch die Wäsche (auch die seiner Frau), plättete, nähte, wischte Staub und putzte die Treppe. Er hatte einen 20-Stunden-Tag.

    Seine Frau aber dankte es ihm nicht, daß er auch ihre Wäsche wusch, sondern wollte einen Vertrag unterschreiben, der

    ihr ein Doktorat zusicherte und sie zu einer Ganztagsstelle als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität verpflichtete. Ulrich Dengler war maßlos enttäuscht- - -

    - - -und so kam es denn, wie es kommen mußte: Seine Seele explodierte, und infolge dieser Gewalteinwirkung an ihrem Hals verstarb seine emanzipierte Frau.
    Es ist klar, daß allein die Frau an dieser Explosion schuld ist, deren Folgen ihr armer Mann jetzt auslöffeln muß. Aber

    Er kann wahrscheinlich mit milden Richtern rechnen. Sein Anwalt... über seinen Mandanten: »Ein bemitleidenswerter Mann, der Held einer modernen Version der griechischen Tragödie vom unschuldig Schuldigwerden.«

    (Dank an Ulrike Hofmann für den Hinweis auf diesen Zeitungsartikel.)

    Februar 1984

Zeichenerklärung

    * bedeutet: Der Ausdruck, vor dem das Zeichen steht, ist ungrammatisch. Zum Beispiel:
    * Wo sein die Bahnhof ?

    ? bedeutet: Der Ausdruck, vor dem das Fragezeichen steht, ist seltsam, abweichend, »nicht ganz normal«. Zum Beispiel: ? Du hast so schöne blonde Augen!

    =>, ≠> bedeutet: »wird zu« bzw. »wird nicht zu«.
    Der Doppelpfeil symbolisiert (Transformations-)Beziehungen zwischen Ausdrücken. Zum Beispiel: als sie ankam => bei ihrer Ankunft ≠> bei seiner Ankunft

Bibliographie

    Bartsch, Miša. 1982. Sprachwandel unter dem Einfluß der Frauenbewegung. Unveröff. Magisterarbeit. Universität Konstanz.
    Baudouin de Courtenay, Jan. 1929. »Einfluss der Sprache auf Weltanschauung und Stimmung.« Prace Filologiczne 14, 185—255.
    Baumann, Peter und Ortwin Fink. 1979 (1976). Wie tierlieb sind die Deutschen :? Frankfurt/M. Fischer TB 3013.
    Behrens, Katja. Hg. 1981. Frauenbriefe der Romantik. Frankfurt/M. Insel TB 545.
    Benz, Ute. 1982. Sexistische Inhalte in einem Französischlehrbuch. Unveröff. Magisterarbeit.
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