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Das Deutsche als Männersprache

Das Deutsche als Männersprache

Titel: Das Deutsche als Männersprache
Autoren: Luise F. Pusch
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NRW-Regierung.
    Die Frauen in Nordrhein-Westfalen, die nun wieder von einer ausgewogenen Männerriege regiert werden, wurden von Ministerpräsident Rau und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Denzer getröstet, »die nächstes Jahr zu bildende Mannschaft für den Wahlkampf werde gleich mit mehreren Frauen angehübscht sein«. So wörtlich in der Neuen Westfälischen vom 5.10. 83.
    Gleich mit mehreren — Donnerwetter ! Die unscheinbare deutsche Sprachpartikel gleich (klein, aber oho!) hat u. a. die Funktion, die Überschreitung einer Grenze, eines Maßes (oft die Erfüllung eines Übersolls) anzuzeigen:
    Wenn man ihm den kleinen Finger gibt, nimmt er gleich die ganze Hand.
    Sie sollte zwei Sätze streichen und strich gleich die ganze Seite.
    Ohne das gleich klängen diese Sätze viel weniger »maßlos«.
    Die »gleich mehreren Frauen« sind ja auch ein maßloses Entgegenkommen!
    Und erst das angehübscht! Zunächst einmal impliziert diese raffinierte Kreation, daß die Mannschaft jetzt nicht hübsch ist. Denn genauso wenig wie eine dicke Soße noch angedickt werden kann, kann eine hübsche Mannschaft noch angehübscht werden. Eine Mannschaft darf auch gar nicht hübsch sein, weil ein Mann nicht hübsch sein darf, ein Politiker schon gar nicht. Ein Mann ist höchstens »gutaussehend«, bei »schön« wird es problematisch, und »hübsch« ist nur was für Frauen, Kinder und Gegenstände.
    Ob wohl diese unhübsche Mannschaft schon dadurch »angehübscht« wird, daß überhaupt Frauen darin vorkommen sollen? Oder müssen die Frauen auch noch selber hübsch sein? Eine Soße wird mit Mehl angedickt, aber das Mehl selber ist nicht »dick«. Trotzdem glaube ich, daß die Trostspender an hübsche Frauen gedacht haben. Maßlos wie sie sind in ihrem Entgegenkommen, finden sie sicher jede Frau, eben weil sie eine Frau ist, hübsch.
    Das an- in dem angehübscht hat es mir angetan! Ein an gefressenes Blatt ist noch ziemlich intakt, ein an gelesenes Buch noch lange nicht ausgelesen. Und eine wenn auch angehübschte Mannschaft bleibt im Kern, wie und was sie sein soll: eine Mann-schaft.

    Dezember 1983

Postfrische Brüder

    Das Briefmarkensammeln ist, ähnlich wie das Sammeln von Münzen, ein ausgesprochen männliches Hobby. Frauen finden es anscheinend sinnvoller, sich um die Zähnchen der lieben Kleinen zu kümmern als um die Zähnchen von Briefmarken. Dabei haben Frauen das Briefmarkensammeln im vorigen Jahrhundert erfunden. Allerdings sammelten sie, ihrer weiblich-oberflächlichen Natur entsprechend, die bunten Bildchen weder systematisch noch als interessante Geldanlage, sondern aus Freude am Dekorativen — etwa um damit lustig die Wände des Salons oder des Kinderzimmers zu bekleben.
    Bald darauf aber nahm der Mann die Sache in die Hand, begründete die zähnchenzählende »Wissenschaft« Philatelie, und prompt wurde die Briefmarke zur »Aktie des kleinen Mannes«.
    Spätestens seit Hitler, Himmler und Konsorten wissen wir: Der »kleine Mann« ist oft alles andere als harmlos. Und sein scheinbar so friedlich-besinnlicher, auf uns Frauen oft kindisch wirkender Kult mit »seiner Aktie«, der Briefmarke, ist auch überhaupt nicht harmlos.
    Seltenheit, nicht mehr Schönheit, ist schon lange absoluter Trumpf in der Philatelie. Die paar erhaltenen Briefstücke aus Auschwitz, Treblinka und anderen Konzentrationslagern (am liebsten mit Zensurvermerk!) erzielen auf Auktionen höchste Preise.
    Sehr selten ist auch »Katastrophenpost« — eins der exklusivsten Sammelgebiete. Welche Freude für den Sammler, wenn er ein Stück aus Postsäcken abgestürzter Flugzeuge, untergegangener Schiffe und verunglückter Eisenbahnen ergattert. Auch Kriege, Taifune, Hochwasser- und Erdbebenkatastrophen »liefern« beliebte und vor allem wertvolle Sammelobjekte. Katastrophenpost aus Euroshima, so es sie denn geben wird, wird mit Sicherheit der Hit bei unseren amerikanischen Freunden.
    Wir mögen das alles pervers finden — aber uns fehlt eben der Durchblick! Pervers ist höchstens das, was manche so über ehrenwerte Briefmarkensammler denken. Da schreibt ein Leser an die Zeitschrift Phila-Report im Okt. 83 unter der Überschrift »Briefmarken und Sex«:

    »Darf ich Ihnen mal meine Briefmarkensammlung zeigen, junge Frau ?« Kein Ausdruck wird so häufig mißverstanden wie dieser: Die meisten meinen, er deute auf irgend etwas, während er in Wahrheit nur auf Philatelie deutet. Dennoch ähneln sich Frauen und Briefmarken mehr, als man gemeinhin glaubt: Die
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