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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus
Autoren: Jules Verne
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Begleiter, um das entstandene Gerücht ihres Todes zu bekräftigen, ihre eigene Beerdigung in’s Werk setzen; begraben wurde von ihnen dabei freilich nur ein Finger der linken Hand, den sie zur Zeit jener Ceremonie abschnitten.
    – Doch woher wißt Ihr das? fragte einer der Zuhörer den mit so großer Sicherheit sprechenden Hindu.
    – Ich war bei der Leichenfeierlichkeit selbst anwesend, erwiderte derselbe. Dandu Pant’s Soldaten hatten mich gefangen, und erst sechs Monate später gelang es mir zu entfliehen.«
    Während der Hindu auf so überzeugende Weise sprach, verlor der Fakir ihn nicht aus dem Blicke. In seinen Augen leuchtete ein Blitz auf. Seine verstümmelte Hand hielt er sorglich versteckt unter dem Wollengewebe, das seine Brust verhüllte. Er horchte, ohne ein Wort zu sagen, aber seine Lippen zitterten und zeigten dabei eine Reihe spitzer Zähne.
    »Ihr kennt also den Nabab von Person? fragte man den ehemaligen Gefangenen Dandu Pant’s.
    – Gewiß, versicherte der Hindu.
    – Und würdet ihn auch wieder erkennen, wenn er Euch zufällig vor die Augen käme?
    – So gut wie mich selbst.
    – Nun, da habt Ihr ja einige Aussicht, die Belohnung von zweitausend Pfund zu erlangen! rief einer der Umstehenden mit nur schlecht verhehltem Neide.
    – Vielleicht… meinte der Hindu, wenn es sich bestätigt, daß der Nabab die Unklugheit begangen hätte, sich bis in die Präsidentschaft Bombay herunter zu wagen, was mir nicht besonders wahrscheinlich dünkt.
    – Was sollte er hier auch vorhaben?
    – Jedenfalls sucht er eine neue Empörung anzuzetteln, erklärte Einer aus der Gruppe, wenn nicht unter den Sipahis, so doch unter der Landbevölkerung des Innern.
    – Wenn die Regierung behauptet, daß seine Anwesenheit in der Provinz gemeldet worden sei, meinte ein Anderer aus der Kategorie jener Leute, welche überzeugt sind, daß eine Behörde sich niemals täuschen könne, so wird die Regierung auch verläßliche Nachrichten darüber besitzen.
    – Mag sein! warf der Hindu ein. Brahma gebe, daß Dandu Pant mir in den Weg kommt und mein Glück ist gemacht!«
    Der Fakir wich einige Schritte zurück, verlor aber des Nabab früheren Gefangenen nicht aus den Augen.
    Schon ward es allmählich dunkel, doch das Leben und Treiben auf den Straßen von Aurungabad verminderte sich nicht. Der Gespräche bezüglich des Nabab wurden nur noch mehr. Hier sagte man, daß er in der Stadt selbst gesehen worden, dort, daß er schon wieder weit weg sei. Man behauptete auch, ein aus dem Norden abgesendeter Eilbote habe dem Statthalter die Anzeige von der Verhaftung Dandu Pant’s überbracht. Um neun Uhr Abends wußten die Bestunterrichteten, er befinde sich schon im Gefängniß der Stadt in Gesellschaft einiger Thugs, welche darin seit über dreißig Jahre schmachteten, und werde am nächsten Morgen mit Tagesanbruch auf dem Sipri-Platze ohne weitere Umstände gehenkt werden, wie seinerzeit Tantia Topi, sein berühmter Genosse im Aufstande. Um zehn Uhr schwirrten wieder ganz anders klingende Nachrichten umher. Es verbreitete sich das Gerücht, der Gefangene sei soeben entwichen, was die Hoffnung aller Derer auf’s Neue belebte, welche der Preis von zweitausend Pfund reizte.
    In der That waren alle diese verschiedenen Nachrichten falsch. Die am besten Unterrichteten wußten nicht mehr, als alle anderen weniger gut oder schlecht berichteten Leute. Der Kopf des Nabab behielt denselben Werth. Es galt noch, ihn zu bekommen.
    Dadurch, daß er Dandu Pant persönlich kannte, hatte jener Hindu mehr Aussicht, den ausgesetzten Preis zu erlangen. Vorzüglich in der Präsidentschaft Bombay mochten nur wenig Leute Gelegenheit gehabt haben, mit dem gefürchteten Anführer in der großen Empörung zusammenzutreffen. Weiter im Norden und tiefer in den Central-Provinzen, in Sindh, Bundelkhünd, Audh, in den Umgebungen von Agra, Delhi, Khanpur oder Laknau, auf dem Hauptschauplatz der unter seinem Befehle begangenen Greuelthaten, hätten sich wohl Alle in hellen Haufen erhoben und ihn an die englischen Gerichte ausgeliefert. Die Eltern, Gatten, Brüder, Kinder und Weiber seiner Opfer beweinten noch die, welche er zu Hunderten hatte hinschlachten lassen. Auch zehn inzwischen verflossene Jahre reichten nicht hin, die vollberechtigte Empfindung von Rache und Haß zu verlöschen. Deshalb konnte man Dandu Pant nicht wohl die Unklugheit zutrauen, daß er sich in jene Gegenden gewagt hätte, wo Alle seinem Namen fluchten.
    Hatte er also, wie man sagte, die
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