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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus
Autoren: Jules Verne
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Trank, wonach Jeder lechzte.
    Lady Munro wurde bis zu der Zeit, wo sie nach Bombay gebracht werden konnte, in einem comfortablen Hôtel verpflegt. Dort hoffte Sir Edward Munro auch die Seele Derjenigen wieder zum Leben zu erwecken, die jetzt nur leiblich lebte und für ihn so gut wie todt blieb, so lange sie nicht die Vernunft wieder erlangte.
    Im Grunde zweifelte keiner seiner Freunde an einer baldigen Heilung. Alle sahen mit Vertrauen einem Ereignisse entgegen, das offenbar allein das sonst freudelose Leben des Obersten umzugestalten vermochte.
    Man kam überein, schon am folgenden Tage nach Bombay weiter zu reisen. Der erste Eisenbahnzug sollte die Insassen des Steam-Houses nach der Hauptstadt des westlichen Indiens führen. Diesmal freilich sollte sie die gewöhnliche schnellfüßige Locomotive befördern, und nicht mehr der unermüdliche Stahlriese, von dem nur noch unförmliche Trümmer übrig waren.
    Doch weder Kapitän Hod, sein enthusiastischer Verehrer, oder Banks, sein geistvoller Schöpfer, noch irgend ein anderer Theilnehmer der Expedition konnte jemals das »treue Thier« vergessen, daß sie sich allmählich als lebend anzusehen gewöhnt hatten. Noch lange hallte das Krachen der Explosion, die es endlich vernichtete, in ihrer Erinnerung wieder.
    Es kann demnach kaum Wunder nehmen, daß Banks, Kapitän Hod, Maucler, Fox und Goûmi Jubbulpore nicht verlassen wollten, ohne den Schauplatz der Katastrophe noch einmal zu besichtigen.
    Von der Dacoitsbande war ja bestimmt nichts mehr zu fürchten. Um jedoch keine Vorsicht aus den Augen zu setzen, nahmen der Ingenieur und seine Gefährten von dem Wachposten vor den Vindhyas eine Abtheilung Soldaten zur Deckung mit und erreichten gegen elf Uhr den Eingang des Passes.
    Hier lagen zunächst fünf bis sechs schrecklich verstümmelte Leichen. Es waren das die der ersten Hindus, welche den Stahlriesen erklettert hatten, um Nana Sahib’s Fesseln zu lösen. Von der übrigen Bande fand sich keine Spur.
    Den Stahlriesen selbst hatte die Explosion seines Kessels vollkommen zerstört. Eine seiner riesigen Tatzen fand sich weit weggeschleudert wieder. Ein Theil des gegen die Bergwand gestoßenen Rüssels hatte sich in eine Gesteinsspalte eingebohrt und ragte gleich einem Riesenarme daraus hervor. Ueberall lagen Blechstücke, Schrauben, Bolzen, Roststäbe, Cylinderbruchstücke und Reste der Treibstangen-Verbindungen umher. Im Moment der Explosion, als die überlasteten Ventile jeden Abfluß desselben verhinderten, mußte der Dampf eine ungeheuere Spannung, mindestens von zwanzig Atmosphären, erreicht haben.
    Und jetzt war von dem künstlichen Elephanten, dem Stolze der Bewohner des Steam-Houses, von dem Kolosse, der die abergläubische Bewunderung der Hindus erregte, von dem mechanischen Meisterwerke des Ingenieurs Banks, dem verwirklichten Traume des phantastischen Rajahs von Bouthan, nichts mehr übrig, als ein unkenntliches, werthloses Gerippe!
    »Armes, armes Geschöpf! – Diesen Ausruf des Bedauerns konnte Kapitän Hod angesichts des Cadavers seines geliebten Stahlriesen nicht unterdrücken.
    – O, da bauen wir einen anderen… mächtigeren Nachfolger! sagte Banks.
    – Das glaube ich wohl, erwiderte Kapitän Hod mit einem tiefen Seufzer, er ist es aber doch nicht mehr!«
    Bei diesen Nachsuchungen kam dem Ingenieur und seinen Gefährten natürlich der Gedanke, ob sie nicht einige Ueberbleibsel Nana Sahib’s nachweisen könnten. Fand sich dabei auch der leicht wieder zu erkennende Kopf nicht vor, so genügte ja schon die eine Hand von ihm, welcher der amputirte Finger fehlte, die Identität seiner Person festzustellen. Sie hätten so gern den unbestreitbaren Beweis des Todes Desjenigen erlangt, der jetzt nicht mehr verwechselt werden konnte.
    Keiner der blutigen Reste, die den Boden bedeckten, schien jedoch Nana Sahib angehört zu haben. Wahrscheinlich hatten die getreuen Anhänger des Nabab wenigstens die Ueberbleibsel seiner Leiche noch mitgenommen.
    Die unausbleibliche Folge davon war aber die, daß die Fabel von Nana Sahib, wegen Mangels vollgiltiger Beweise, wieder in ihr Recht trat; daß der unerreichbare Nabab in der Vorstellung der Volksstämme Central-Indiens noch immer als lebend galt, bis die Sage den alten Anführer der Sipahis vielleicht zu einem unsterblichen Gotte umwandelte.
    Banks und die Seinigen freilich zweifelten keinen Augenblick mehr daran, daß jener die Explosion nicht habe überleben können.
    Sie kehrten nach der Station zurück, wohin
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