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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Autoren: Michael Peinkofer
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unmöglich war zu sagen, was von beidem zuerst existiert hatte. Der in der Sterndeutung bewanderte Bahram nahm jene Zusammenhänge mit Gleichmut zur Kenntnis, spiegelten sie doch für ihn nur die vom Schöpfer gewollte Ordnung des Kosmos wider. Conn jedoch, der sich nie mit derlei Belangen befasst hatte, kam es wie ein Wunder vor. Selbst die kleinsten Dinge bekamen dadurch Sinn, und je weiter sie in das Labyrinth vordrangen, desto überzeugter wurde er, dass es nicht Zufall war, der sie alle hier zusammengeführt hatte, sondern Gottes Wille.
    Ein Angelsachse und ein Normanne.
    Ein Christ und eine Jüdin.
    Ein Kreuzfahrer und ein Orientale.
    Sie wollten ihren Weg fortsetzen, als Baldric sich plötzlich umwandte. Das Gesicht des Normannen hatte einen harten Ausdruck angenommen, das einzelne Auge verengte sich.
    »Ich höre etwas«, sagte er.
    Conn und die anderen lauschten.
    Rasche Schritte auf steinernem Boden.
    Das Geklirr von Rüstungen und Waffen.
    »W ir sind nicht allein«, stellte Baldric wortkarg fest und zog sein Schwert, obschon es ihm in der Enge des Stollens nur bedingt von Nutzen sein würde. »Jemand ist uns auf den Fersen.«
    »Los, weiter!«, drängte Conn, und sie nahmen den beschriebenen Felsengang und folgten ihm zu einer Höhle mit zwei Ausgängen. Beide waren mit in Stein gemeißelten hebräischen Schriftzeichen überschrieben.
    » W as auch immer ihr tut, tut es rasch«, drängte Baldric grimmig, denn die Schritte wurden lauter. Auch waren jetzt aufgeregte Rufe zu vernehmen, die durch die Felsengänge hallten.
    Rufe in französischer Sprache.
    »Berengar verweist auf eine Stelle aus dem vierten Buch Mose, die von den Opfergaben der Stammesfürsten an das Heiligtum berichtet …«
    »… je zwölf an der Zahl«, fügte Chaya hinzu, die die Stelle kannte, und deutete auf die Zeichen, die über dem linken Stollen angebracht waren. »Die Zwölf ist hier.«
    »Dann geht«, knurrte Baldric und stellte sich so, dass er den Stollen, aus dem sie gekommen waren, gut im Blick hatte.
    »W as hast du vor?«, fragte Conn.
    »Sie aufhalten, so lange wie möglich«, verkündete der Normanne entschlossen.
    »Nein!« Conn schüttelte den Kopf und zückte sein eigenes Schwert. »Dann bleibe ich ebenfalls.«
    »Unsinn! Du bist der Einzige, der Berengars Aufzeichnungen lesen kann. Wenn du getötet wirst, ist unsere Suche gescheitert!«
    »Aber sie werden dich töten!«
    »V ielleicht – aber meine unsterbliche Seele wird endlich Erfüllung finden. Deshalb – und nur deshalb – bin ich nach Jerusalem gekommen.«
    Conn schluckte. Es kostete ihn große Überwindung, nicht zu widersprechen, dennoch schwieg er. Zum einen, weil er seinen Adoptivvater nicht von seinem Entschluss würde abbringen können. Zum zweiten, weil eine innere Stimme ihm sagte, dass dies der Weg war, der für Baldric vorgezeichnet war. Seine Erlösung.
    Erneut waren laute Rufe zu hören.
    Die Verfolger waren nicht mehr weit entfernt.
    »Geht«, drängte Baldric. »Möge der Herr euch begleiten.«
    » Shalom , Baldric«, sagte Chaya. Dann wandte sie sich um und huschte in den Gang, der mit der Zahl Zwölf überschrieben war.
    C onn schaute seinen Adoptivvater zweifelnd an. Baldric nickte ihm zu, und es lag so viel Kraft und Zuversicht in seinem Blick, dass Conn allen Trennungsschmerz überwand und Chaya folgte. Auch Bahram wollte gehen, nicht ohne den Stolleneingang noch mit Ruß zu schwärzen.
    »Nein«, sagte Baldric kopfschüttelnd.
    »W arum nicht?«
    Der Normanne deutete in die Richtung, aus der die Geräusche drangen. »So haben sie uns gefunden«, sagte er düster.
    Sie liefen, so schnell sie konnten, während sie hinter sich die Geräusche des Kampfes hörten: das Klirren von Klingen, Geschrei und hin und wieder die laute Stimme Baldrics, der seine Gegner verspottete, obschon sie in der Überzahl waren.
    Conns Herzschlag raste.
    Ein Teil von ihm wäre am liebsten sofort umgekehrt, um seinem Adoptivvater zur Hilfe zu eilen, während ein anderer Teil ihm sagte, dass er damit alles gefährdet hätte. Mit eisernem Willen zwang er sich, weiterzulaufen, Tränen ohnmächtiger Wut in den Augen.
    Dann verstummten die Geräusche.
    Der Kampf war zu Ende, und man brauchte kein Hellseher sein, um zu wissen, wie er ausgegangen war.
    Im Laufen schloss Conn für einen Moment die Augen und sprach ein kurzes Gebet, empfahl die unsterbliche Seele Baldrics dem Himmel und hoffte, dass der alte Krieger nun endlich Befreiung von jener Schuld erfahren würde, die
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