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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
Autoren: Michael Peinkofer
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spielte um die bärtigen Züge des Jüngeren. »Es ist kein Geheimnis, dass unsere Kontore in Konkurrenz zueinander stehen, Ben Salomon«, sagte er dann. »Und natürlich wisst Ihr genau wie ich, dass die Anwesenheit der Soldaten in der Stadt gute Geschäfte bedeutet. Ob Wein, Tuch, Stahl oder Leder – die Nachfrage nach diesen Gütern ist in den vergangenen Wochen sprunghaft angestiegen und hat uns beiden wachsende Einkünfte beschieden. Ist es nicht so?«
    »W as hat das eine mit dem anderen zu tun?«, fragte Isaac.
    »W isst Ihr es wirklich nicht? Oder gebt Ihr Euch nur unwissend, um Eure wahren Beweggründe zu verschleiern?«
    »W as für Beweggründe?« Chaya kannte ihren Vater gut genug, um zu sehen, dass es ihm inzwischen schon schwerer fiel, die Fassung zu wahren. Auch sie selbst konnte fühlen, wie ihr Blut in Wallung geriet. Was führte Mordechai im Schilde?
    »All die Gewinne, die Ihr in den letzten Wochen verzeichnen konntet, hätten noch ungleich höher ausfallen können, hättet Ihr sie nicht mit Euren Konkurrenten teilen müssen«, führte dieser bereitwillig aus, worauf er nach beiden Seiten s chielte, um zu sehen, was seine Worte bei den anderen Ratsmitgliedern und Vornehmen bewirkten. »W as aber, wenn Ihr sie mit einem geschickten Winkelzug aus dem Feld räumen und auf diese Weise ganz allein Geschäfte mit den Soldaten machen könntet?«
    »Das traut Ihr mir zu?« Fassungslosigkeit sprach aus den Zügen ihres Vaters, und Chaya musste an sich halten, um ihre Empörung über diese gemeine Unterstellung nicht laut hinauszuschreien. Auch die übrigen Räte schienen betroffen. Blicke wurden gewechselt, hier und dort leise getuschelt, aber nur einer verlieh seiner Erschütterung tatsächlich Ausdruck.
    »Mordechai Ben Neri«, sagte Bar Levi im Tonfall eines Lehrers, der einen Schüler schalt, »dass Ihr Euch nicht schämt, im Haus Gottes einen derart abscheulichen Verdacht zu äußern! Noch dazu, wo Ihr genau wisst, dass unser geschätztes Ratsmitglied Ben Salomon noch immer den schrecklichen Verlust betrauert, der über ihn und seine Tochter gekommen ist.«
    »Der Tod Eurer Gattin hat uns alle tief getroffen, Ben Salomon«, räumte Mordechai ein, »und natürlich gehört Euch in diesem Jahr der Trauer mein ganzes Mitgefühl …«
    »Ich danke Euch«, sagte Isaac.
    »… aber selbst der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen darf nicht zwischen uns und der Wahrheit stehen«, fuhr der Jüngere fort. »W ürdet Ihr, wenn die Dinge umgekehrt lägen, nicht einen ähnlichen Verdacht hegen? Alle hier wissen um die Rivalität unserer Familien, die Generationen zurückreicht. Mein Vater und Ihr, Isaac Ben Salomon, sind erbitterte Konkurrenten gewesen. Ist es da nicht nachvollziehbar, dass ich mich frage, ob Ihr die Gelegenheit womöglich nutzen wollt, um die Geschäftsverhältnisse in der Stadt zu Euren Gunsten zu beeinflussen? Wenn es nicht so ist, so nehmt meine Entschuldigung dafür, dass ich so dachte. Aber sollte es so sein, seid versichert, dass ich dies niemals zulassen werde.«
    In der Synagoge war es so still geworden, dass nur noch das l eise Fauchen der Kerzen zu hören war, die im kreisförmigen Leuchter unterhalb der Deckenkuppel brannten und die der Windzug fortwährend flackern ließ. Dabei tauchten sie den Thoraschrein und die Bima in unstetes Licht, und es sah aus, als würden sich die Tierfiguren, mit denen die Wände bemalt waren, bewegen. Aller Augen hatten sich auf Isaac gerichtet, der auf seinem Hocker saß und tief aus- und einatmete, sich mühsam zur Ruhe zwingend. Natürlich waren die Vorwürfe völlig aus der Luft gegriffen, und vermutlich wusste Mordechai dies auch. Aber er schien keinesfalls gewillt, der Argumentation Isaacs und Daniel Bar Levis zu folgen, und Chaya hegte den dumpfen Verdacht, dass es entgegen seiner Beteuerungen nicht nur geschäftliches Interesse war, das ihn so handeln ließ, sondern auch der gekränkte Stolz eines Mannes, dessen Brautwerbung zurückgewiesen worden war.
    Mit einem Mal fühlte sie sich schuldig an dem, was dort unten im Rat geschah. Gebannt schaute sie auf ihren Vater, der in diesem Moment zu einer Erwiderung ansetzte.
    »Mordechai Ben Neri«, entgegnete er und schien jedes einzelne Wort mit Bedacht zu wählen, »ich führe es auf Eure Jugend und Eure Unerfahrenheit zurück, dass solche Worte über Eure Lippen kommen, und werde sie deshalb nicht als das werten, was sie tatsächlich sind, nämlich eine gemeine Verleumdung. Es stimmt,
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