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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Aaron E Lony
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dabei Rouven über die Haare.
    Mr. Goodman blickte zu Rouvens Vater. „Wenn Sie mit Schwester Maria alles abgeklärt haben, kommen Sie dann bitte in das Rektorat, um die nötigen Papiere fertigzustellen.“ Er wandte sich Rouven zu und streckte ihm seine Hand entgegen. „Es freut mich, dich als Schüler bei uns zu haben, Rouven Blandow“, sagte er zu ihm. Rouven zuckte etwas zusammen, als er in die dargebotene Hand einschlug.
    Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht verließ der Internatsleiter die kleine Gesellschaft. Rouven sah ihm längere Zeit hinterher.
    „Wie viele Schüler sind hier untergebracht?“ wollte Mr. Blandow wissen.
    „Das gesamte Internat wird von sechsundfünfzig Mädchen und ebenso vielen Jungen besucht“, beantwortete sie seine Frage. „In einem Alter zwischen elf und siebzehn Jahren. – Mit Rouven sind es nun siebenundfünfzig.“
    Noch einmal ließ Mr. Blandow seine Blicke den Kirchturm hinabgleiten. Verwundert beobachtete Schwester Maria ihn dabei, sie sprach ihn aber nicht darauf an. Mr. Blandow wandte sich zu seinem Sohn. Er hockte sich vor ihm nieder, wie es die Schwester getan hatte.
    „Für mich wird es Zeit, Rouven“, sagte er zu ihm. „Versprich mir, tapfer zu sein. Das Schicksal hat es so gewollt, Rouven. Das Schicksal, verstehst du. Man kann ihm einfach nicht entfliehen.“
    Rouven sah seinem Vater direkt in die Augen. Er mußte sich beherrschen, nicht in einen bitterlichen Weinkrampf auszubrechen. Trotzdem rollte eine kleine Träne über seine Wangen. Sanft wischte sie sein Vater mit dem Finger ab.
    „Ich liebe dich, Rouven“, flüsterte er. „Niemals werde ich dich vergessen können.“ Ein leiser Seufzer drang aus Rouven hervor. Er brachte es nicht fertig, etwas zu sagen. Mr. Blandow nahm seinen Sohn in die Arme. Kurz drückte er ihn an sich, stand auf und begab sich zu Schwester Maria, die sich etwas abseits gestellt hatte.
    „Würden Sie mir einen kleinen Gefallen erweisen?“ fragte er sie. Die Schwester drehte sich nach ihm um.
    „Einen Gefallen?“ wiederholte sie.
    „Bitte, nehmen Sie Rouven an sich. Seien Sie wie eine Mutter zu ihm. Er ist noch zu schwach für diese Welt.“
    Schwester Maria betrachtete den Jungen. Mit gesenktem Kopf stand er da und kämpfte gegen die Tränen, die immer wieder aus seinen Augen zu dringen versuchten.
    „Ich gebe Ihnen mein Wort, Mr. Blandow“, sagte sie leise. „Ich verspreche Ihnen, Rouven wie mein eigen anzusehen.“
    „Ich danke Ihnen, Schwester Maria. Möge es Ihnen für ewig vergolten werden.“ Er wandte sich von ihr ab. Langsam schritt er über den Hof in die Richtung, in der Mr. Goodman verschwunden war. Verständnislos blickte sie ihm hinterher. Erst jetzt begriff sie, was er eigentlich zu ihr gesagt hatte.
    „Er ist noch zu schwach für diese Welt“, sprach sie die Worte leise in sich hinein. Ein lautes Schluchzen riß sie aus der Versonnenheit. Ihre Blicke suchten Rouven.
    Er hatte sich seiner Gefühle nicht mehr wehren können. Unaufhörlich weinte Rouven vor sich hin. Schwester Maria eilte zu ihm. Rouven wehrte sich nicht, als sie ihn in ihre Arme einschloß.
    *
    Mr. Blandow hatte das Rektorat erreicht. Mr. Goodman erwartete ihn bereits.
    „Bitte, nehmen Sie Platz“, forderte der Internatsleiter Mr. Blandow auf. Vor dem dargebotenen Stuhl blieb Mr. Blandow stehen. Abwehrend schüttelte er seinen Kopf.
    „Ich habe nicht mehr viel Zeit“, sagte er zu dem Schulleiter. „Ich habe noch einen weiten Weg vor mir.“
    Mr. Goodman legte mehrere Formulare auf den Tisch. „Ich verstehe“, gab er lächelnd zurück. „Belassen wir es auf das Nötigste.“ Nebeneinander legte er die Formulare auf dem Schreibtisch aus.
    „Haben Sie die Papiere Ihres Sohnes bei sich?“ fragte er ohne aufzublicken.
    Mr. Blandow griff in seine Tasche. Er holte ein kleines Päckchen hervor und legte es auf die Formulare. Mr. Goodman nahm es zu sich. Nachdem er sich sein Monokel zwischen das Auge geklemmt hatte, begann er die Papiere zu untersuchen. Mr. Blandow beobachtete ihn dabei aufmerksam. Nach kurzem Lesen schon sah der Internatsleiter erstaunt auf.
    „Rouven ist nicht Ihr leibeigener Sohn?“ fragte er überrascht.
    „Rouven ist ein Findelkind“, erklärt Mr. Blandow etwas zurückhaltend. „Ich hoffe, daß sich dadurch jetzt nichts ändert.“
    „Solange wir monatlich unser Geld für Rouven bekommen, ändert sich nichts daran“, antwortete Mr. Goodman kalt. Seine Freundlichkeit war plötzlich wie weggeblasen.
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