Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das brennende Land

Das brennende Land

Titel: Das brennende Land
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
dass wir unsere Feinde nicht angreifen wollten, auch wenn meine Männer ihre Kettenrüstungen trugen und ihre Schilde und Waffen griffbereit neben den Ruderbänken lagen. Finan, mein zweiter Befehlshaber auf dem Schiff, hockte sich neben mich auf die Steuerplattform und hörte belustigt Pater Willibald zu, der ohne Unterlass plapperte. «Andere Dänen haben Gottes Gnade empfangen, Herr Uhtred», sagte er. Er schnatterte diesen Unsinn, seit wir in Lundene abgelegt hatten, aber ich ertrug es, denn ich mochte Willibald. Er war ein eifriger, hart arbeitender und immer fröhlicher Mann. «Mit Gottes Hilfe», fuhr er fort, «werden wir das Licht des Glaubens unter diesen Heiden verbreiten.»
    «Warum schicken uns die Dänen eigentlich keine Missionare?», fragte ich.
    «Das verhüte Gott, Herr.» Sein Begleiter, ein Priester, dessen Namen ich längst vergessen habe, nickte ernst.
    «Haben sie vielleicht etwas Besseres zu tun?», fragte ich.
    «Wenn die Dänen Ohren haben zu hören, Herr, dann werden sie die Botschaft Christi mit Jubel und Entzücken vernehmen!»
    «Ihr seid ein Narr, Pater», entgegnete ich milde. «Wisst Ihr, wie viele von Alfreds Missionaren schon niedergemetzelt wurden?»
    «Wir müssen alle zum Märtyrertod bereit sein, Herr», sagte er, wenn auch mit etwas ängstlicher Stimme.
    «Ihnen werden die priesterlichen Gedärme aus dem Leib geschnitten, die Augen aus dem Kopf geholt, die Eier aufgeschlitzt und die Zungen herausgerissen. Erinnerst du dich an den Mönch, den wir in Yppe gefunden haben?», wandte ich mich an Finan. Finan war ein Flüchtling aus Irland. Er war dort als Christ aufgewachsen, doch seine Religion war so durchmischt mit den Mythen seiner Heimat, dass man sie kaum als denselben Glauben erkannt hätte, den Willibald predigte. «Wie ist dieser bedauernswerte Mann gestorben?», fragte ich.
    «Sie haben die arme Seele bei lebendigem Leib gehäutet», antwortete Finan. «Haben sie bei den Zehen angefangen?»
    «Sie haben ihm ganz langsam die Haut abgezogen. Es muss Stunden gedauert haben.»
    «Sie haben die Haut nicht einfach abgezogen», verbesserte ich. «Man kann einen Mann nicht einfach wie ein Lamm häuten.»
    «Das stimmt», sagte er. «Man muss zerren und reißen. Und man braucht viel Kraft dafür.»
    «Er war ein Missionar», erklärte ich, an Willibald gewandt.
    «Und ebenso ein gesegneter Märtyrer», fügte Finan heiter hinzu. «Aber irgendwann muss es ihnen langweilig geworden sein, weil sie ihm schließlich doch noch den Rest gegeben haben. Sind mit einer Baumsäge auf seinen Bauch losgegangen.»
    «Ich glaube, es war eher eine Axt», sagte ich.
    «Nein, nein, es war eine Säge, Herr», beharrte er grinsend, «noch dazu eine mit wahrhaftig großen Zähnen. Haben ihn damit in zwei Hälften gerissen.» Pater Willibald, der schon immer ein Märtyrer der Seekrankheit gewesen war, schwankte zur Reling.
    Wir lenkten das Schiff Richtung Süden. Die Mündung der Temes ist ein trügerisches Gewässer voller Sandbänke und starker Strömungen, aber ich hatte es schon seit fünf Jahren überwacht und musste kaum noch auf die Landmarken achten, als wir nun ans Ufer von Scaepege ruderten. Und dort vor mir, zwischen zwei auf den Strand gesetzten Schiffen, wartete der Feind. Die Dänen. Es mussten hundert oder mehr Männer sein, alle in Kettenrüstung, alle mit Helmen und blitzenden Waffen. «Wir könnten die ganze Mannschaft niedermachen», sagte ich zu Finan. «Wir haben genügend Männer.»
    «Wir haben angekündigt, dass wir in Frieden kommen!», begehrte Willibald auf und wischte sich den Mund am Ärmel ab.
    Das hatten wir, und so geschah es auch.
    Ich hieß den
Kenelm
und den
Drachenfahrer,
nahe am schlammigen Ufer zu warten, während wir den
Seolferwulf
auf den Schlick zwischen den beiden dänischen Schiffen steuerten. Der Bug machte ein zischendes Geräusch, als wir schließlich auf Grund liefen. Ich sprang vom Bug, landete spritzend im tiefen Schlick und watete auf festeren Grund, wo unsere Feinde warteten.
    «Mein Herr Uhtred», grüßte mich der Anführer der Dänen. Grinsend breitete er die Arme aus. Er war stämmig, hatte goldfarbenes Haar und ein eckiges Kinn. Sein Bart war in fünf einzelne Zöpfe geflochten, die mit Silberspangen zusammengehalten wurden. An seinen Unterarmen blitzten silberne und goldene Reifen, und sein Gürtel, an dem ein Schwert mit breiter Klinge hing, war mit noch mehr Gold besetzt. Er sah wohlhabend aus, was er auch war, und sein offener Blick ließ ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher