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Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns
Autoren: Cody Mcfadyen
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persönliche Dinge auszunutzen.« Sie zuckt die Schultern, und ihre Trauer verleiht der Geste eine schreckliche Eleganz. »Jetzt habe ich eine Ausnahme gemacht, weil mein Kind tot ist.«
    »Ich würde an Ihrer Stelle das Gleiche tun, Mrs. Reid. Ich möchte Ihnen mein Mitgefühl aussprechen. Ich weiß, dass es sich wie ein Klischee anhört, und ich weiß, dass es unter diesen Umständen unangemessen sein mag, aber es tut mir wirklich leid. Dexter ...« Ich unterbreche mich stirnrunzelnd und schaue sie an. »Ich bin mit solchen Dingen nicht vertraut, Ma'am. Soll ich >er< oder >sie< sagen? Soll ich von Dexter oder von Lisa sprechen?«
    »Lisa wollte ihr Leben lang eine Frau sein. Also sollten wir sie auch so behandeln ... jetzt, nachdem sie tot ist.«
    »Ja, Ma'am.«
    »Lassen wir die Förmlichkeit, wenn wir unter uns sind, einverstanden? Wir sind zwei Mütter zweier toter Kinder, Smoky. Weit und breit sind keine Männer mit ihrem Imponiergehabe und ihrer Wichtigtuerei.« Sie zögert, fixiert mich mit grimmigem Blick. »Wir müssen die Köpfe zusammenstecken und schmutzige Arbeit bewältigen, und das erfordert Vornamen und keine Floskeln, meinen Sie nicht auch?«
    Wir Frauen sind es, die unsere Kinder begraben. Wir sind diejenigen, die den Saum unserer Kleider durch den Friedhofsdreck ziehen. Das will sie damit sagen.
    »Okay, Rosario.«
    »Gut.« Ich merke, wie sie meine Narben betrachtet. »Ich habe darüber gelesen, was Sie durchgemacht haben, Smoky. In den Zeitungen und Illustrierten. Ich muss gestehen, ich bewundere Sie seit Jahren.«
    Ihr Blick ist fest, als sie diese Worte sagt. Sie zuckt nicht zurück vor den Narben in meinem Gesicht, keine Spur. Wenn sie Unbehagen in ihr wecken, versteckt sie es besser, als Director Rathbun es getan hat.
    Ich nicke ihr zu, damit sie weiß, dass ich es zu schätzen weiß. »Danke. Aber es ist nichts Bewundernswertes daran, diejenige zu sein, die nicht getötet wurde.«
    Sie runzelt die Stirn. »Das ist sehr hartherzig. Sie haben weitergemacht. Sie haben weiter diesen Job getan, der Sie derartigen Gefahren aussetzt. Und Sie machen Ihre Arbeit gut. Sie leben weiter in dem Haus, in dem das Schreckliche passiert ist - was ich im Übrigen gut verstehen kann. Ich bin sicher, vielen Leuten geht es anders, aber ich verstehe Sie.« Sie lächelt traurig. »Ihr Zuhause ist der Ort, wo Sie Ihre Wurzeln geschlagen haben. Wie ein Baum, den man nicht verrückt. Ihre Tochter wurde dort geboren, und diese Erinnerung ist mächtiger als all die schmerzlichen Dinge, die Sie dort erlebt haben, nicht wahr?«
    »Ja«, gestehe ich leise.
    Ich merke, wie diese Frau mich einnimmt. Ich mag sie. Sie ist ehrlich. Ihr Einfühlungsvermögen sagt viel über ihren Charakter aus. Sie ist eine Person, die weiß: Familie ist Zuhause, Familie ist das Dach, das vor der Welt schützt. Liebe mag der Leim sein, der alles zusammenhält, doch die Abfolge gemeinsamer Augenblicke ist die wahre Seele der Dinge.
    Wir fahren mit gemächlicher Geschwindigkeit einen großen Kreis um das Leichenschauhaus herum. Ich merke, wie meine Blicke erneut von dem bunten Laub der Bäume angezogen werden. Es sieht aus, als würden sie brennen.
    »Ich habe genau wie Sie den Mann geheiratet, den ich in der Schule geküsst habe«, sagt Rosario und blickt aus dem Fenster. »Haben Sie Bilder von meinem Dillon gesehen?«
    »Ja. Er ist sehr attraktiv.«
    »Das war er schon damals. Und so jung. Er war meine erste Liebe.« Sie wirft einen Seitenblick zu mir, zeigt ein leichtes Lächeln. Es lässt sie für einen Moment aussehen wie achtzehn - einen strahlenden, kurzen Moment lang. »Er war mein erster Mann in allem.«
    Ich erwidere ihr Lächeln. »Wie Matt für mich.«
    »Wir sind eine aussterbende Art, Smoky. Frauen, die ihre Highschool-Liebe heiraten, die ihre Liebhaber an den Fingern einer Hand abzählen können. Glauben Sie, dass wir besser dran sind? Oder schlechter?«
    Ich zucke die Schultern. »Ich denke, Glück ist das Persönlichste, was es geben kann. Ich habe Matt nicht geheiratet, um Keuschheit oder Treue zu demonstrieren. Ich habe ihn geheiratet, weil ich ihn liebte. So einfach ist das.«
    Etwas von dem, was ich soeben gesagt habe, lässt ihre Gefasstheit ein wenig ins Wanken geraten. Ihre Augen werden feucht, auch wenn keine Tränen fließen.
    »Das haben Sie großartig ausgedrückt. Ja. Glück ist etwas Persönliches. Das traf mit Sicherheit auf meine Tochter zu.« Sie dreht sich im Sitz und sieht mich an. »Wussten Sie, dass es viel
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