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Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns
Autoren: Cody Mcfadyen
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ihren Sohn verloren hat, es so von mir möchte.« Ich nicke in Richtung von Lisas Leichnam. »Und weil Lisa den Anschein macht, als wäre es ihr ebenfalls lieber so.«
    Rathbun starrt mich für einen Moment an. »Meinetwegen«, sagt er schließlich und fährt fort: »Mrs. Reid wird Ihre Kontaktperson zur Familie sein. Wenn Sie mit dem Abgeordneten sprechen müssen, wird sie einen Termin vereinbaren. Erforderliche Genehmigungen beispielsweise, was die Durchsuchung von Lisas Wohnung angeht. In allen diesen Dingen ist Mrs. Reid Ihre Ansprechpartnerin. Halten Sie sich vom Abgeordneten Reid fern, es sei denn, es ist absolut notwendig.«
    »Und wenn am Ende alles darauf hindeutet, dass er der Täter ist?«, frage ich. »Was dann?«
    Rathbuns Lächeln ist humorlos. »Dann zähle ich darauf, dass Sie sämtliche politischen Notwendigkeiten ignorieren.«
    »Wer kümmert sich um die Medien?«, fragt AD Jones.
    »Ich selbst. Ich möchte nicht, dass einer von Ihnen mit der Presse spricht. Kein Kommentar, basta.« Er sieht mich an. »Das gilt ganz besonders für Agentin Thorne.«
    Er meint damit Callie, ein Mitglied meines Teams. Sie ist berüchtigt dafür, dass sie sagt, was sie will und wann sie es will.
    Ich muss grinsen. »Keine Sorge, Sir. Sie hat Wichtigeres zu tun.«
    »Wie das?«
    »Sie heiratet nächsten Monat.«
    Er stutzt. »Tatsächlich?«
    Callie ist beim FBI als eingefleischte Junggesellin bekannt. Ich gewöhne mich allmählich an die ungläubigen Mienen, wenn ich die Neuigkeit verkünde, dass sie in den Stand der Ehe treten will.
    »Ja, Sir.«
    »Es geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder. Bestellen Sie ihr meine besten Wünsche. Aber passen Sie auf, dass sie ihr Mundwerk im Zaum hält.« Er wirft einen Blick auf seine Rolex. »Ich werde Sie jetzt zu Mrs. Reid bringen. Der Gerichtsmediziner müsste in Kürze hier sein. Die Ergebnisse der Autopsie gehen an mich und an Ihr Team, an niemanden sonst. Noch Fragen?«
    AD Jones schüttelt den Kopf.
    »Nein, Sir«, sage ich. »Aber ich denke, ich sollte allein mit Mrs. Reid sprechen. Sozusagen von Mutter zu Mutter.«
    Er runzelt die Stirn. »Erklären Sie mir bitte genauer, was Sie damit meinen.«
    »Statistisch gesehen stören Männer sich stärker an Transsexuellen als Frauen. Ich sage nicht, dass der Kongressabgeordnete Reid seinen Sohn nicht geliebt hat, doch falls Lisa jemanden hatte, dem sie sich wirklich nahe gefühlt hat, dann wette ich, dass es ihre Mom war.« Ich zögere. »Außerdem wird es vermutlich noch einen weiteren Grund dafür geben, dass Mrs. Reid nach mir verlangt hat.«
    »Und welchen?«
    Ich blicke auf Lisas Leichnam. Lisa verkörpert ein neues Geheimnis - ein Geheimnis, das die Toten enthüllen, das die Alten kennen und das die Jungen stets aufs Neue ignorieren: Das Leben ist zu kurz, ganz gleich, wie lang es ist.
    Mein Lächeln ist ohne jeden Humor, als ich Jones antworte. »Weil ich ebenfalls ein Kind verloren habe, Sir. Es ist ein Club, zu dem nur Mitglieder Zutritt haben.«
     
     

Kapitel 2
    Ich beobachte, wie der Wagen hinter dem Leichenschauhaus eintrifft. Er ist schwarz, wie nicht anders zu erwarten - die bevorzugte Farbe bei Regierungsfahrzeugen, ein beinahe tröstlicher Anblick in seiner Beständigkeit. Die hinteren Fenster sind dunkel getönt, sodass niemand von draußen hineinblicken kann.
    Es ist halb fünf nachmittags, und die Dämmerung setzt allmählich ein in dieser Gegend von Virginia, die sich trotz ihrer Nähe zu Washington D. C. ihre eigene Identität bewahrt hat. Es ist hier stiller als in der Hauptstadt, und man fühlt sich irgendwie sicher, ob es nun wahr ist oder bloß Einbildung. Es ist eine Mischung aus Vorstadt und City, die eine Illusion von Komfort liefert. Wie so viele Städte im Osten hat sie ihr eigenes Gesicht, ihre ureigene Mischung aus Charakter und Geschichte.
    Es ist Ende September, und ein solches Wetter wie hier habe ich an der Westküste noch nie erlebt. Die Luft ist beißend, eine Kälte, die einen Winter mit Schnee prophezeit. Keinen so schlimmen Winter wie beispielsweise in Buffalo, New York, aber auch keinen von diesen erbärmlichen kalifornischen Wintern.
    Überall wachsen Bäume, junge und alte. Es sind so viele, dass unschwer zu erkennen ist, wie beliebt Bäume in dieser Stadt sind. Ich kann sogar den Grund dafür sehen. Der Herbst ist eine richtige, eine sichtbare Jahreszeit in Alexandria, Virginia. Eine Jahreszeit kräftiger, satter Farben. Die Blätter verfärben sich bunt - ein spektakulärer
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