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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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dachte, dass ich schlief oder bewusstlos war – saß er neben mir und hielt meine Hand umklammert, als könne er so irgendetwas verhindern. Oder als brauche er selbst diesen Halt.
    Ich schluckte gegen die Enge in meiner Kehle an, bis sie vergangen war. Auch wenn der Tod wie eine dunkle Wolkeüber uns hing, war ich entschlossen so zu leben, als sei sie nicht da. Es gab noch so vieles, was ich tun wollte … Vor allem aber wollte ich in dem bisschen Zeit, das mir noch blieb, nicht behandelt werden, als sei ich aus Glas. Glas, das bereits einen Sprung hatte. Und trotzdem fühlte ich mich manchmal wie erstarrt. Ich ballte die Fäuste. Aber nicht heute! Auch wenn Julien nicht da war. Noch war ich am Leben.
    Wie zum Hohn zog ein Krampf genau in diesem Moment meinen Magen zusammen. Vollkommen überraschend. Unwillkürlich schnappte ich nach Luft, legte die Hand auf meinen Bauch und krümmte mich ein Stück vornüber.
    Nein! Bitte nicht!
    »Dawn, alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Ich versuchte gegen den Schmerz zu atmen. Die Muskeln nicht weiter zu verkrampfen, sondern sie zu ent spannen, so wie Julien es mir gezeigt hatte.
    »Dawn, geht es Ihnen nicht gut?«
    Die Augen zusammengepresst drückte ich die Faust fester in die Stelle, in der schon ein Messer zu bohren schien. Dabei hatte ich heute noch keinen Bissen gegessen.
    »Dawn?«
    Ich blinzelte, als mir klar wurde, dass Mr Barrings neben mir stand. »W-was?« Meine Stimme klang heiser.
    Er beugte sich ein wenig zu mir. Seit seinem Unfall zu Beginn des Schuljahres bewegte er sich ziemlich steif. »Stimmt etwas nicht mit Ihnen, Dawn? Soll Sie jemand zur Schulschwester bringen?«
    »Nein!« Ich brachte ein Kopfschütteln zustande. »Nein, alles … in Ordnung.« Atmen! Atmen! Ob mein Lächeln mehr war als eine Grimasse, konnte ich nicht abschätzen. Mr Barrings’ Gesichtsausdruck nach zu schließen, war es das nicht. Alle starrten mich an.
    »Sind Sie sicher?«
    Ich nickte. Atmen!
    »Vielleicht geht es Dawn ja schneller besser, wenn sie einfach mal wieder den Finger in den Hals steckt«, ließ Cynthia sich in die betretene Stille um uns herum vernehmen. Stimmte mein Verdacht also und das Gerücht mit der Bulimie ging tatsächlich auf ihr Konto? Zum Teufel mit ihr!
    Die Hand noch ein wenig fester auf meinen Bauch gepresst hob ich den Kopf und sah sie an. Atmen. »Nein danke. Das überlass ich dir. Ich bin mit meinem Gewicht durchaus zufrieden.« Obwohl meine Stimme nach wie vor entsetzlich rau war, starrte sie mich eine Sekunde mit schmalen Lippen wütend an. Doch dann reckte sie mit einem süffisanten Lächeln die Nase ein bisschen höher.
    »Dass du das jetzt bist, kann ich mir durchaus vorstellen. – Wie viel hast du seit dem Halloween-Ball abgenommen? Zehn Pfund?«
    Es waren zwanzig. Aber das musste sie nicht wissen.
    »Solche Kommentare sind absolut unnötig, Cynthia.« Mr Barrings warf ihr einen unwilligen Blick zu. Der, mit dem er mich bedachte, war dafür umso nachdenklicher. Hoffentlich hatte mir Cyn nicht gerade zu einem Termin mit irgendeinem Schulpsychologen verholfen.
    »Sind Sie sicher, dass wieder alles in Ordnung ist, Dawn?«, erkundigte er sich noch einmal.
    »Ja, Sir. Danke.« Der Schmerz sank tatsächlich allmählich wieder auf sein übliches halbwegs erträgliches Level herab. Vielleicht würde er ja für ein paar Stunden ganz verschwinden, wenn Julien wieder da war. Meine Hände – eigentlich alles an mir – zitterten allerdings noch immer. Ich drückte sie unter der Bank auf meine Oberschenkel.
    Abermals maß Mr Barrings mich auf diese nachdenkliche Art, doch dann nickte er und kehrte nach vorn zu seinem Tisch zurück. »Nun gut, wieder zu Herman Melville, meineHerrschaften. Kann mir jemand in den letzten fünf Minuten unserer Stunde zusammenfassen, welchem seiner Autorenkollegen Moby Dick gewidmet war und auf welcher Vorlage beziehungsweise auf welchen realen Geschehnissen der Roman basiert, ehe wir in den eigentlichen Text einsteigen?«
    Scott zwei Tische vor mir meldete sich. Sosehr ich mich bemühte: Es gelang mir nicht, mich auf seine Antwort zu konzentrieren. Schließlich gab ich es auf. Ich musste nur noch eine Pause und anschließend Mathe und Erdkunde hinter mich bringen, dann war dieses Elend für heute vorbei. – Und zu Hause wartete nichts als Stille auf mich. Der Gedanke schnürte mir einmal mehr die Kehle zu. Wo steckst du, Julien? Bitte, komm heim. Die Schulglocke erlöste mich für den Moment und ich flüchtete vor weiterem Gaffen,
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