Das blaue Zimmer
hole ich es aus der Tiefkühltruhe, und Simsalabim.“
„Aber was essen wir heute mittag?“
„Was du willst. Suppe, Brot, Käse. Ein gekochtes Ei.“
„Ein gekochtes Ei?“
„Was hast du denn erwartet?“
„Lammbraten. Koteletts. Apfelkuchen.“
„ James, so groß essen wir mittags nie.“
„Doch. Am Wochenende immer.“
„Die Wochenenden sind was anderes. Am Wochenende es sen wir abends Rühreier. Am Wochenende ist es umgekehrt.“
„Warum?“
„Warum? Damit du abends, wenn du abgekämpft und fix und fertig aus dem Büro kommst, eine anständige Mahlzeit kriegst. Darum.“
Das leuchtete ihm ein. Er seufzte und sah ihr beim Würzen der Moussaka zu. Salz, Pfeffer, eine Handvoll gemischte Kräuter. Wieder lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er sagte: „Kann ich heute mittag nicht ein bißchen davon haben?“
Louisa sagte: „Nein.“ Er fand sie richtig gemein. Um sich aufzuheitern, holte er Eis aus dem Kühlschrank und machte sich einen belebenden Gin Tonic. Mit dem Drink in der Hand begab er sich ins Wohnzimmer, in der Absicht, sich ans Feuer zu setzen und die Morgenzeitung zu Ende zu lesen, bis sein Mittagessen fertig wäre.
Aber im Wohnzimmerkamin brannte kein Feuer, der Raum war kühl und freudlos.
„Louisa!“
„Ja?“ Bildete er es sich ein, oder klang sie wirklich ein klei nes bißchen ungeduldig?
„Soll ich den Kamin für dich anzünden?“
„Kannst du machen, wenn du willst, aber ist es nicht Ver schwendung, wenn keiner von uns im Zimmer ist?“
„Wirst du dich denn heute nachmittag nicht etwas hin setzen?“
„Glaub ich kaum“, sagte Louisa.
„Um wieviel Uhr machst du sonst immer Feuer?“
„Meistens so gegen fünf.“ Sie sagte wieder: „Du kannst es anzünden, wenn du willst“, aber er ließ es störrisch bleiben und machte sich ein nahezu masochistisches Vergnügen dar aus, sich in einen Sessel zu setzen und stur den Leitartikel zu lesen.
Am Ende war das Mittagessen besser, als er zu hoffen ge wagt hatte. Kräftige Gemüsesuppe, knuspriges Vollkornbrot, Landbutter, etwas Stiltonkäse, eine Tasse Kaffee. Um das Ganze abzurunden, zündete er sich ein Zigarillo an.
„Wie läuft es?“ fragte Louisa.
„Wie läuft was?“
„Mit deinem Bericht.“
„Ich hab ungefähr zwei Drittel.“
„Das ging ja schnell, mein Schlauer. Jetzt verlasse ich dich, und dann kannst du ganz ungestört weitermachen.“
„Du verläßt mich? Weswegen verläßt du mich? Sag mir den Namen deines Liebhabers.“
„Ich habe nicht gerade einen Liebhaber, aber ich muß mit Rufus raus, und da gehen wir gleich beim Metzger vorbei und holen das Lamm ab, das er mir versprochen hat.“
„Wann gibt’s Lamm zu essen? Weihnachten?“
„Nein, heute abend. Aber wenn du weiter so sarkastisch bist, kann ich es ja einfrieren, bis du bessere Laune hast.“
„ Wag es bloß nicht. Was gibt es sonst noch?“
„Neue Kartoffeln und Tiefkühlerbsen. Denkst du nie an was anderes als ans Essen?“
„Manchmal denke ich ans Trinken.“
„Du bist ein Vielfraß.“
„Ich bin ein Feinschmecker.“ Er küßte sie. Dann sann er dar über nach. Er sagte: „Es ist komisch, dich beim Essen zu küssen. Ich küsse dich nicht oft am Tisch.“
„Das kommt, weil die Kinder nicht da sind“, sagte Louisa.
„Laß uns das öfter machen. Die Kinder wegschicken, meine ich. Wenn deine Schwester sie nicht nehmen kann, stecken wir sie in einen Zwinger.“
Am Nachmittag war das Haus ohne Louisa, ohne den Hund, ohne Kinder, Gäste oder jegliche Art von Geschäftigkeit voll kommen tot. Die Stille war betäubend, beunruhigend wie ein ständiges, unerklärliches Geräusch. An seinem Arbeitsplatz konnte James nur das gedämpfte Ticken der Uhr in der Diele hören. Ihm kam der Gedanke, daß es für Louisa die meiste Zeit so sein mußte, wenn er in London und die Kinder in der Schule waren. Kein Wunder, daß sie mit dem Hund sprach.
Als sie endlich zurückkam, war seine Erleichterung so groß, daß er sich zurückhalten mußte, nicht gleich hinzugehen und sie zu begrüßen. Vielleicht spürte sie das, denn kurz darauf steckte sie den Kopf zur Tür herein und sprach seinen Namen. Er versuchte ein Gesicht zu machen, als habe sie ihn über rascht. „Was gibt’s?“
„Wenn du mich brauchst, ich bin im Garten.“
James hatte gedacht, sie würde das Feuer anzünden, sich an den Kamin setzen, ihre Strickerei zur Hand nehmen und war ten, daß er sich zu ihr setze. Er fühlte sich betrogen. „Was
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