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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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und sie hatte sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, damit sie ihr beim Schwimmen nicht in die Augen hingen. Bar ney und ich nahmen unsere Spaten und begannen dort, wo die Ebbe im Sand flache Tümpel hinterlassen hatte, einen großen und komplizierten Hafen zu bauen. Vollauf damit beschäftigt, vergaßen wir die Zeit und merkten auch nicht, als ein Unbe kannter auf uns zukam. Plötzlich fiel ein langer Schatten auf das glitzernde Wasser.
    Ich schaute hoch und schirmte meine Augen gegen die Sonne ab. Der Unbekannte sagte „Hallo!“ und ging neben uns in die Hocke. „Das ist ja ein toller Hafen. Jetzt müßtet ihr nur noch ein paar Schiffe haben, dann wäre er komplett. Ihr seid doch die Kinder, die im Pförtnerhaus wohnen, nicht wahr?“
    „Und wer bist du?“ fragte ich.
    „Ich bin Godfrey Howard. Der Cousin der Roystons: Ich bin bei ihnen zu Besuch.“
    Das löste Barneys Zunge sofort. „Hast du das Baumhaus ge baut?“ platzte er heraus.
    „Ja.“
    „Wie hast du das denn gemacht?“
    Godfrey fing an, es ihm zu erklären. Ich hörte zu und wun derte mich, wie jemand, der anscheinend so nett war, irgend etwas mit diesen abscheulichen Royston-Jungs zu tun haben konnte. Nicht daß er besonders gut ausgesehen hätte. Er hatte bräunliches Haar, eine zu klobige Nase und trug eine Brille. Er war nicht einmal besonders groß, aber es lag etwas Warmes und Freundliches in seiner tiefen Stimme und in seinem Lächeln. Die ausgebleichten, abgeschnittenen Jeans, die er trug, waren voller Salzflecken, und an seinen nackten Beinen und den Schultern klebte noch ein bißchen von dem Sand, auf dem er gelegen hatte.
    „… seid ihr die Strickleiter hinaufgeklettert?“
    Anstatt zu antworten, begann Barney wieder zu buddeln, und Godfrey blickte mich an. „Sie war nicht da“, sagte ich. „Die beiden wollten uns nicht rauflassen. Sie haben uns er klärt, es sei ihr Klubhaus. Sie mögen uns nicht.“
    „Sie glauben, daß ihr sie nicht mögt. Sie meinen, ihr kommt aus London und tut so vornehm.“
    Das war eine Überraschung. „Vornehm? Wir?“ fragte ich entrüstet. „Wir haben nie so getan, als wären wir vornehm.“ Doch dann fiel mir ein, wie abweisend Lalla sich benommen hatte, ich erinnerte mich an ihre zusammengekniffenen Lip pen, über die kein Lächeln gehuscht war. „Das heißt… Lalla ist schon älter… Bei ihr ist das etwas anderes.“ Daß er darauf schwieg, war ermutigend. „Ich hätte gern mit ihnen Freund schaft geschlossen“, gab ich zu.
    Er zeigte Verständnis. „Manchmal ist das schwierig. Men schen sind scheu… “ Dann hielt er mitten im Satz inne und schaute hoch, direkt über meine Schulter. Ich drehte mich um, weil ich wissen wollte, was seine Aufmerksamkeit erweckt hatte, und sah Lalla über den Sand auf uns zukommen. Ihr Haar war wieder offen und lag wie nasse Seide auf ihren Schul tern. Das rote Handtuch hatte sie sich wie einen Sarong um die Hüften geknotet. Als sie näher kam, stand Godfrey auf. Ich machte sie miteinander bekannt, so wie Mama Leute mitein ander bekannt machte: „Das ist Lalla. Das ist Godfrey.“
    „Hallo, Lalla“, sagte Godfrey.
    „Er ist der Cousin der Roystons“, fügte ich rasch hinzu. „Er ist bei ihnen zu Besuch.“
    „Hallo“, erwiderte Lalla.
    Da sagte Godfrey: „David und Paul möchten gern Cricket spielen, aber nur zu dritt kann man nicht gut Cricket spielen. Wollt ihr nicht mitmachen?“
    Das hing von Lalla ab. ‘Sie will bestimmt nicht Cricket spie len’, dachte ich. ‘Sie wird ihn abblitzen lassen, und dann laden sie uns nie wieder ein.’
    Doch sie ließ ihn nicht abblitzen. Etwas unsicher antwortete sie: „Ich glaube nicht, daß ich besonders gut Cricket spiele.“
    „Aber du könntest es doch versuchen, oder?“
    „Ja.“ Dann begann sie zu lächeln. „Versuchen könnte ich es vielleicht.“
     
     
    Und so kamen wir schließlich zusammen. Wir spielten eine ko mische Art von Strandcricket, die Godfrey sich ausgedacht hatte und bei der wir kräftig auf den Ball einschlagen und fürchterlich rennen mußten. Als es uns zu heiß wurde, um noch länger zu spielen, gingen wir gemeinsam schwimmen. Die Roystons hatten hölzerne Surfbretter, mit denen sie uns auch auf den Wellen reiten ließen. Abwechselnd legten wir uns bäuchlings darauf und schaukelten durch die warme, Bran dung der heranrollenden Flut. Gegen fünf bekamen wir Hun ger, sammelten unsere verschiedenen Körbe und Rucksäcke ein und setzten uns im Kreis auf den Sand.
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