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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben
Autoren: Axel Hacke
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Druckfehler«, sagte ich. »Pizza mit Druckfehlern gibt’s auch. Neulich stand in einem Faltblatt, man könne nicht nur Pizza, sondern auch ›beleckte Semmeln‹ haben, lecker beleckt mit Formfleischvorderschinken oder Plockwurst oder Köse, äh, Käse.« Ich schaute Bosch an. »Hast du noch Bier?«, fragte ich. »Aber immer«, sagte er.
    Ich öffnete ihn, nahm die dritte Flasche und schloss die Tür wieder.
    »Ich versteh’s nicht«, sagte er dann. »Sind die Leute nicht früher in Restaurants gegangen und haben dort Pizza gegessen, mit Messern und Gabeln und von Tellern?«
    »Ja«, sagte ich und trank. »Aber das ist bald vorbei. Man geht nicht mehr auf die Straße. Was willst du dort? Es fallen dir Steine auf den Kopf, oder du kommst nicht weiter, weil ein Film gedreht wird. Und Läden zum Einkaufen gibt es nicht mehr, weil alle Geschäfte durch Pizza-Dienste ersetzt sind.«
    »Seltsam: immer Pizza«, sagte mein Kühlschrank.
    »Eigentlich gar nicht seltsam«, sagte ich. »Pizza ist das ideale Essen für Leute, die nicht mehr aus dem Haus gehen. So schön flach. Man kann es durch den Briefschlitz werfen oder unter der Haustür hindurchschieben und muss nicht einmal mehr mit dem Lieferanten in Kontakt treten. Eines Tages wird man sich per Internet eine Pizza auf dem Bildschirm aufrufen und dann aus dem CD-Laufwerk holen oder ausdrucken. Manche schmekken jetzt schon so.«
    Ich trank gluckernd.
    »Pizza«, rief ich, »ist ’n schönes, flaches Essen, flach wie die modernsten Handys und die neuesten Laptops und die schönsten Autos, flach wie das Fernsehprogramm, flach wie die ganze Welt von morgen. Der Lieferpizza gehört die Zukunft! Wir brauchen flache Mahlzeiten!«
    »Und… und neue, flache Kühlschränke?«, fragte Bosch zögernd.
    »Fang nicht wieder mit deinem Pessimismus an!«, rief ich und entnahm ihm die vierte kalte Flasche. »Flaches Bier gibt’s nicht. Wir werden alle leben wie du, immer daheim und nie draußen, angeschlossen an große Stromkreise, fern von anderen unserer Art, innen voller Kälte und doch voller Sehnsucht nach…«
    Er unterbrach mich: »Wer ist hier der Pessimist?!«
    Ich starrte aus dem Fenster ins Dunkle.
    »Wenn du mir auch so viel zu trinken gibst…«, flüsterte ich.

Schill und Schiller
    K önigssöhne sind oft merkwürdige Typen, denken wir nur an Charles, oder, seltsamer, an jenen Prinzen, der in Schneewittchen vorgeblich absichtslos durch den Wald reitet, bei sieben Zwergen übernachtet und dabei die anscheinend tote Prinzessin in ihrem gläsernen Sarg entdeckt: So lange bettelt er die sieben an, bis sie ihm den Leichnam überlassen. Ich bitte sehr! Schiere Nekrophilie! Ein sexuell Fehlentwickelter als Märchenheld! Ein Kerl, der Frauen nur tot (und unter Glasstürzen vor seinen Begierden geschützt) ertragen kann. Davon erzählt man Kindern? Sie wollen es nun mal so. Was den kleinen Luis angeht, so möchte er zum Einschlafen immer das Märchen vom Froschkönig hören.
    Ich fange also an: »…da lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, doch…«
    »Nein«, ruft Luis, »die waren alle schill!«
    »Nein, die waren alle schön«, sage ich.
    »Schill!«, ruft Luis, »es heißt schill.«
    »Wieso schill?«, frage ich. »Was ist schill?«
    »Der Lautsprecher sagt: Die Töchter waren schill.«
    »Der Lautsprecher?«, frage ich.
    »Der Lautsprecher vom Kassettenrecorder.«
    Ein Hörfehler, denke ich, er hat’s falsch verstanden, als er die Märchenkassette anhörte. Weil es keinen Sinn hat, mit ihm zu diskutieren, fahre ich fort: »…dessen Töchter waren schill, doch eine war schöner als die anderen…«
    »Nein, schiller«, ruft er da, »sie war schiller als die anderen.«
    »Hat’s der Lautsprecher gesagt?«, frage ich.
    »Ja, der Lautsprecher.«
    »Aber, Luis, du hast falsch verstanden. Es heißt: ›Sie war schöner‹.«
    »Schiller!«, ruft er.
    Der Lautsprecher hat Autorität, denke ich. Und Luis soll schlafen.
    Also erzähle ich weiter: »…war also die eine schiller als die anderen, und…« Erzähle und erzähle und denke dabei: »Schiller«, denke ich dabei. Bei Schiller taucht der Edelknecht nach einem goldnen Becher, um der Königstochter Gemahl zu werden. Und »Goethe« denke ich, da sitzt der Fischer angelnd, und eine Frau rauscht aus dem Wasser empor, erzählt von der Schönheit der Tiefe, bis es um den Fischer geschehen ist und er abtaucht:

    »Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
    Und ward nicht mehr gesehn.«

    Überall wird getaucht, der
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