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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop
Autoren: Philip Pullman
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seiner Aufsicht brachte die Mannschaft Proviant und Wasser an Bord, denn man wollte bei Morgengrauen in See stechen. Während des Beladens sagte der alte Zalif zu seinen Gästen:
    Ein tiefgreifender Wandel hat in allem stattgefunden. Ein Beleg dafür ist die Verantwortung die auf uns gekommen ist. Wir würden unseren Gästen gern zeigen, worin sie besteht.
    John Faa, Farder Coram, Mary und Serafina begaben sich mit den Mulefa zu dem Ort, wo das Land der Toten nur einen Ausgang hatte und wo die Geister in endlosen Kolonnen ins Freie traten. Die Mulefa pflanzten hier einen Hain, denn, so sagten sie, dieser Ort sei heilig. Sie wollten die Stätte als Quelle der Freude für immer erhalten.
    »Ja, das ist ein Wunder«, sagte Farder Coram, »und ich bin froh, das noch mit eigenen Augen gesehen zu haben. Ins dunkle Reich des Todes einzutreten fürchten wir alle, ganz gleich, was wir auch sagen. Aber wenn es für den Teil von uns, der diesen Gang in die Unterwelt gehen muss, einen Ausweg gibt, dann nimmt mir das eine große Last vom Herzen.«
    »Du hast Recht, Coram«, pflichtete ihm John Faa bei. »Ich habe eine Menge Leute sterben sehen und habe selbst ein paar in die Unterwelt befördert, allerdings stets im Getümmel der Schlacht. Dass man nach einer Zeit dort unten im Dunkeln wieder in ein so liebliches Land hinaufkommt und dass einem der Himmel offen steht wie den Vögeln, das ist das größte Versprechen, das man sich überhaupt wünsche n konnte. «
    »Wir müssen mit Lyra darüber sprechen«, sagte Farder Coram, »und erfahren, wie es dazu kam und was es bedeutet.«
     
      
    Mary fiel der Abschied von Atal und den anderen Mulefa sehr schwer. Ehe sie an Bord des Schiffes ging, überreichten ihre Gastgeber ihr ein Geschenk: eine Lackphiole mit Radbaumöl und, das Kostbarste von allem, einen kleinen Beutel mit Samenkörnern.
    Vielleicht wachsen sie in deiner Welt, sagte Atal, aber wenn nicht, daran bleibt dir immer noch das Öl. Vergiss uns nicht, Mary.
    Niemals, sagte Mary. Niemals. Und sollte ich so alt werden wie die Hexen und alles andere vergessen, aber die Liebenswürdigkeit deines Volkes, Atal, vergesse ich nie.
    Und so traten sie die Heimreise an. Der Wind war günstig, die See ruhig, und obgleich mehr als einmal der helle Schimmer der schneeweißen Flügel der Tualapi am Horizont zu sehen war, blieben die Vögel scheu und näherten sich nicht. Will und Lyra verbrachten jede Stunde zusammen, und so verging für sie die zweiwöchige Reise wie im Flug.
    Xaphania hatte Serafina Pekkala gesagt, dass die Welten, wenn erst einmal alle Öffnungen wieder geschlossen waren, alle wieder ins richtige Verhältnis zueinander treten würden. Lyras und Wills Oxford würden dann übereinander liegen wie transparente Bilder auf zwei Filmbändern, die man immer näher zueinander brachte, bis sie deckungsgleich waren, wenn sie sich auch nie wirklich berühren würden. Jetzt waren sie aber noch weit voneinander entfernt - so weit, wie Lyra von ihrem Oxford bis nach Cittàgazze hatte reisen müssen. Wills Oxford lag näher, nur ein Schnitt mit dem Magischen Messer war nötig. Gegen Abend erreichten sie Cittàgazze. Als der Anker ins Wasser platschte, ruhten die warmen Strahlen der Abendsonne auf den grünen Hügeln, den Ziegeldächern und dem ganzen etwas heruntergekommenen Hafenviertel, wo sich auch Wills und Lyras kleines Café befand. Der Kapitän hatte mit seinem Fernrohr ausgiebig observiert und keine Zeichen menschlichen Lebens entdecken können, doch John Faa wollte sicherheitshalber mit einem halben Dutzend bewaffneter Männer an Land gehen. Sie würden sich im Hintergrund halten und für den Notfall bereitstehen.
    Bei Einbruch der Dunkelheit aßen sie zum letzten Mal zusammen. Will verabschiedete sich vom Kapitän und seinen Offizieren sowie von John Faa und Farder Coram. Er schien sie kaum wahrgenommen zu haben, aber umso deutlicher hatten sie ihn gesehen: Für sie war er jung, sehr jung sogar, aber auch sehr stark und tief betroffen.
    Dann machten sich Will und Lyra samt ihren Dæmonen und Mary und Serafina Pekkala auf den Weg durch die leere Stadt.
    Tatsächlich war der Ort menschenleer, und die einzigen Schritte und Schatten stammten von ihnen. Lyra und Will gingen Hand in Hand voran bis zu der Stelle, wo sie sich trennen mussten, gefolgt von den Frauen, die etwas zurückblieben und sich wie Schwestern unterhielten. »Lyra möchte gern ein Stück weit in mein Oxford kommen«, sagte Mary. »Sie hat etwas vor. Danach
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