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Das Attentat

Das Attentat

Titel: Das Attentat
Autoren: Carter Brown
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mußte sich um die von Bryan
erwähnten Zeugen handeln, die sich freiwillig gemeldet hatten.
    Hinterher hielt ich mich wieder
bei Ernie s auf, trank
zwei Whisky und aß ein Filet Mignon, dessen Rohmaterial Ernie zu der Zeit
erstanden haben mochte, als in Pine City die
berittene Polizei außer Mode gekommen war. Ich hätte leicht noch eine halbe
Stunde daran herumsägen können, aber ein nagender Zweifel in meinem Kopf machte
mich unruhig, und so gab ich auf und verdrückte mich.
    Ich fuhr beim Büro der
Mordabteilung vorbei, nahm dort den Schlüssel zu Lois’ Wohnung mit und fuhr
dann nach Glenshire hinaus. Ich ging leise die Treppe
empor, weil ich die anderen Hausbewohner nicht erschrecken wollte — und ich
wollte mich auch keineswegs von ihnen zu Tode erschrecken lassen.
    In der Wohnung knipste ich die
Lichter an und rümpfte die Nase ob des schalen, muffigen Geruchs im Wohnzimmer.
Aus Gründen der Selbsterhaltung zündete ich mir eine Zigarette an und blieb in
der Mitte des Raumes stehen, um zu überlegen, weshalb ich eigentlich
hierhergekommen war. Da mir keine Antwort darauf einfiel, dachte ich, es lohne
sich vielleicht dessenungeachtet , danach zu suchen,
    Das Schlafzimmer war mit einem
Doppelbett, zwei Schränken und zwei Kommoden ausgestattet, jedoch mit nur einem
Toilettentisch. Ich durchforschte die Schränke und den Toilettentisch, ohne irgend etwas Aufregendes zu finden. Die oberste Schublade
der ersten Kommode war mit allerlei Trödelkram angefüllt — echtem, nicht dem,
den Grossman so bezeichnete — , mit leeren Lippenstifthülsen, abgegriffenen
Puderdosen, von denen die Farbe abgeblättert war, einzelnen Strümpfen,
Hunderten von Lockenwicklern und zerdrückten Pappschachteln, die einmal voller
Vitamintabletten gewesen waren. Es gab auch noch einen Haufen anderer
Schachteln, die Aspirin, Beruhigungsmittel und Antacidtabletten enthalten hatten. Vermutlich hatte es der Drugstore an der Ecke niemals so gut
gehabt wie zu dem Zeitpunkt, als die beiden Mädchen noch am Leben waren. Ich
erinnerte mich, daß Lois erzählt hatte, sie hätten alle zwei an Migräne
gelitten.
    Auf dem Boden der Schublade
fand ich ein noch ungeöffnetes, in braunes Papier gehülltes Päckchen. Ich riß
das Papier auf und stellte fest, daß der Inhalt aus Beruhigungsmitteln und
Aspirin bestand. Der Kassenzettel war noch da, und ich warf einen flüchtigen
Blick auf die bezahlte Summe und den Namen des Drugstorebesitzers .
Dann blickte ich näher hin, und zwar auf das unten auf dem Zettel gedruckte Datum:
15. Mai. Ich hatte gefunden, was ich, ohne es zu wissen, gesucht hatte — und
das ist für jeden Menschen, der nicht durch die Seiten eines modernen Romans
marschiert, eine Leistung.
    Fünf Minuten später ging ich in
den Drugstore an der Ecke, der, wie einem großen Schild zu entnehmen war, die
ganze Nacht geöffnet hatte, was glaubhaft war: Lily Teal hatte das Zeug gegen elf Uhr dreißig in jener Samstagnacht gekauft.
    Der Drugstorebesitzer ,
der die ganze Nacht offen hatte, kam aus einem Hinterzimmer auf mich zugeeilt.
Er sah aus wie der hundertprozentig amerikanische Drugstorebesitzer ,
der sich soeben vom Deckblatt einer Postwurfsendung naturalisiert hatte, um
mich zu bedienen. Die wohlgerundete mittlere Partie wölbte sich unter seiner
weißen Jacke — das weiße Haardach war straff
zurückgekämmt und lockte sich in zaghaften Strähnen um die Ohren. Selbst die
Einfassung seiner Brille war seit fünfzehn Jahren außer Mode und verriet eine
feine Verachtung für Mode an sich und jegliche persönliche Eitelkeit.
    Aber das war nur der äußere
Anstrich; und als er näher kam, konnte man erkennen, daß der Lack Sprünge hatte
und an manchen Stellen abgeblättert war. Die eng beisammenliegenden Augen hinter der schützenden Brille funkelten vor Habgier und keineswegs vor
Menschenfreundlichkeit. Im Laufe der Jahre war sein Mund durch das Eintreiben
überfälliger Rechnungen zu einer Rattenfalle geworden, und als ich ihn lächeln
sah, überlegte ich, daß er sicher als letztes jede Nacht seine Zähne herausnahm
und sie mit irgendeinem Silikon-Spray behandelte, um sie am nächsten Tag wieder
tipptopp in Ordnung zu haben.
    »Guten Abend.« Die Wärme seiner
Stimme breitete sich über mir aus wie Leim. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Lieutenant Wheeler«, sagte ich
und zückte meine Dienstmarke — niemand war auf den Gedanken gekommen, sie mir
wegzunehmen, als ich persona non
grata geworden war.
    Die schlauen Augen
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