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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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ihm abfiel. Ihr selbst ging es nicht anders. Am liebsten hätte sie geweint vor Erleichterung.
    «Ja, der Reiter war ich. Und das, obwohl ich auf so einem Gaul kaum aufrecht zu sitzen vermag. Ich bin dann dort beim Waldrand abgesprungen, weil ich ihn nicht mehr zügeln konnte, und der Gaul ist allein weitergerannt. Ich kann nur hoffen, dass er in seinen Stall zurückgekehrt ist.»
    «Und so seid Ihr ganz ohne Begleitung und ohne Bewaffnung hierhergekommen, um mich zu retten – aus höchster Gefahr, wie Ihr sagt. Ein wenig närrisch seid Ihr schon auch.»
    «Aber nicht doch.» Er zog ein Messer aus der Tasche und hielt es ihr hin. Es war lächerlich klein. «Allerdings hatte ich im Eifer des Gefechts gar nicht mehr daran gedacht, dass ich es dabeihatte.»
    Kopfschüttelnd blickte sie erst auf das Messerchen, dann in Achaz’ hellbraune Augen, die jetzt schon wieder verschmitzt funkelten.
    «Ihr seid wirklich närrisch», murmelte sie. Dann sah sie sich um. Das Grasstück zwischen Kapelle und Bruderhäuslein war inzwischen dicht mit Menschentrauben besetzt, die Rufe der Empörung und des Entsetzens wurden lauter und lauter. Die einen rannten hinüber in Cyprians Hütte, wo unter Getöse alles zerschlagen und zertreten wurde, was sich fand, die anderen drängten einander weg, um einen Blick auf den immer noch am Boden liegenden Wallfahrtspriester zu erhaschen.
    «Hängt ihn an den nächsten Baum!» – «Abstechen sollt man die Kuttensau!» So und so ähnlich hallten ihre Schreie über die Wiese. Von den Ministranten, die auch längst hätten hier sein müssen, war weit und breit nichts zu sehen. Dafür stand inmitten der unruhigen Menge, die sich nur mit Mühe im Zaum zu halten schien, stumm und reglos ein junger Mönch: Bruder Immanuel.
    Achaz winkte ihn heran.
    «Begleitest du uns freiwillig vor den Rat der Stadt?»
    «Ja.» Über seine bleichen Wangen rannen die Tränen. «Ich bin so froh, dass das alles ein Ende hat.»
    «Dann wusstest du also Bescheid um diesen Betrug?»
    Er stieß ein unterdrücktes Schluchzen aus. «Ich bin mitschuldig durch mein Schweigen, ich weiß. Aber ich hatte solche Angst, dass ich der nächste Judas sein würde. Ich – ich wollte noch nicht sterben.»
    Der Junge tat Serafina trotz allem leid. «Wer hat noch mitgemacht bei diesem schändlichen Betrug?», fragte sie.
    «Nur Bruder Blasius, Bruder Cyprian und ich. Es hat geheißen, es sei Gottes Wille und Befehl, und Bruder Blasius war doch immer wie ein Vater für mich, seitdem ich als Kind ins Kloster kam.» Er wies mit dem Kopf in Richtung Blasius, der sein Gesicht mittlerweile unter der hochgezogenen Kapuze verborgen hielt. «Was geschieht nun mit ihm?»
    «Er kommt vor das Blutgericht», antwortete Achaz. «Selbst mit Gottes Gnade wird ihm der Tod nicht erspart bleiben.»
    Und Barnabas wird endlich frei sein, dachte Serafina bei sich, und ihr Herz tat einen Sprung.
    «Die Kiste mit dem Schweineblut!» Sie schlug sich gegen die Stirn. «Wir dürfen die Kiste nicht vergessen.»
    Sie wollte schon loslaufen, als ein Bauersmann mit der Kiste unterm Arm in ihren Kreis trat. «Das hier hab ich im Schuppen gefunden.»
    Achaz pfiff durch die Zähne, als er den Inhalt sah.
    «So also hält man die Leute zum Narren. – Alsdann, junger Freund …» Er schlug Bruder Immanuel gegen die Schulter. «… hilf mir, deinen Meister auf die Beine zu bringen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.»
    Er wählte unter den Umstehenden zwei kräftige Männer zur Begleitung aus, die ihm besonnen genug erschienen, um Blasius nicht bei nächster Gelegenheit den Garaus zu machen, dann machten sie sich auf den Weg. Serafina und Achaz gingen voraus, gefolgt von Blasius, den seine beiden Bewacher fest im Griff hielten, dem Bauersmann, der die Kiste auf einer Karre hinter sich herzog, und Bruder Immanuel. Der junge Mönch weinte noch immer lautlos vor sich hin.
    Es war nicht zu vermeiden gewesen, dass ihnen die Mehrzahl der Kirchgänger folgte. So bewegte sich jetzt ein langer Menschenstrom durch das sonnenbeschienene Tal in Richtung Stadt, und ein kleiner, magerer Hund mit Ringelschwanz und hellbraunem Fell rannte aufgeregt vorweg.
    Als die Mauern Freiburgs vor ihnen im Dunst auftauchten, fragte Serafina den Stadtarzt neben sich: «Was starrt Ihr mich eigentlich die ganze Zeit so von der Seite an?»
    «Tu ich das?» Achaz wirkte verlegen. «Nun ja, Euer Haar ist offen.»
    Serafina strich sich entgeistert über ihren dunklen, noch immer recht kurzen Haarschopf. Ihre
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