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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz
Autoren: Astrid Fritz
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Kopfbedeckung hatte sie doch wahrhaftig in der Hütte vergessen!
    «Da gibt es rein gar nichts zu glotzen, Achaz.»
    Doch anstatt wegzusehen, entgegnete er grinsend: «Ich hatte ganz und gar vergessen, wie hübsch Ihr ohne Schleier und Gebände ausseht.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 30
    E s war eine schöne, sehr feierliche Bestattung gewesen. Auf dem Schindanger hatte der Totengräber – für diesmal nicht der Wasenmeister! – Hannes’ Gebeine in einen Eichenholzsarg gelegt, ganz so, wie es bei den Vornehmen Brauch war, und mit einem Bahrtuch aus schwarzem Samt und silbernen Borten bedeckt. Anschließend hatte sich der Leichenzug in Bewegung gesetzt, angeführt vom Münsterpfarrer und seinen Ministranten, die Vortragekreuz, Weihwasserbecken, Weihrauchfässchen und Lichter mit sich führten. Sechs Genossen aus der Kaufmannszunft, gefolgt von einem halben Dutzend Klageweibern, hatten den Sarg dann quer durch die Stadt bis ins Münster getragen, von dessen Turm seit einiger Zeit schon die große Glocke alle Welt zur Totenmesse rief. In der Kirchenmitte wurden Hannes’ sterbliche Reste dann zum Abschiednehmen aufgebahrt, umstellt von zwölf dicken Wachskerzen, von Weihrauchwolken eingehüllt.
    Als wollte der Pfarrer sein Versäumnis gegenüber dem Toten und dessen Angehörigen wiedergutmachen, dauerte die Messe viel länger als üblich. Auch war halb Freiburg gekommen, um dem jungen Pfefferkorn ein letztes, würdiges Geleit zu geben. Wie sich das Blatt doch wenden konnte, dachte Serafina bei sich, die mit ihren Mitschwestern und den anderen geladenen Gästen nahe bei der Familie stand. Und doch freute es sie von Herzen, insbesondere für Walburga Wagnerin, deren Gesicht trotz der vielen Tränen heute endlich wieder eine gesunde Farbe angenommen hatte.
    Nach Kommunion und Segnung umrundete der schier endlos lange Zug das Münster bis zur Totenkapelle Sankt Andreas. In deren Schatten lagen die reichen Bürger bestattet, tief unter der Erde in Einzelgräbern, und hier war auch für Hannes die letzte Wohnstatt bereits ausgehoben. Ein letztes Mal wurde der Sarg unter Gebeten mit Weihwasser besprengt und beräuchert, dann warf der Priester die erste Schaufel mit Erde, um sie dem Kaufherrn zu übergeben.
    Serafina schloss die Augen und dachte an jenen glücklichsten Moment des gestrigen Tages zurück, der sie ihre Todesangst im Bruderhäuslein fast vergessen machte: Der Moment, als Barnabas endlich freikam. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn zum Mittagsläuten persönlich im Spital abzuholen. Zu ihrer Erleichterung schien er die Zeit seiner Gefangenschaft halbwegs unbeschadet überstanden zu haben. Noch nie hatte sie ihn so lachen und strahlen sehen, und als er schließlich vor ihr stand, hatte er ihr seine kurzen Ärmchen entgegengestreckt. Da war sie in die Knie gegangen, um sich von ihm umarmen und herzen zu lassen.
    «Serafina, mein rettender Engel!», hatte er ein ums andere Mal gerufen, nur um ihr erneut einen dicken Kuss auf Wange oder Stirn zu drücken. Sie hatte ihn nach Hause begleiten wollen, doch er hatte abgelehnt.
    «Ich werd sehr lange brauchen, denn ich will jeden Baum, jeden Strauch, jeden Vogel begrüßen in meiner neuen Freiheit!»
    In diesem Moment hatte sie einmal mehr daran gezweifelt, dass Barnabas tatsächlich wirr im Kopf sei und sich gefragt, ob er der Welt den Unsinnigen nur vorspielte.
    «Jetzt endlich wird die Pfefferkornin ihren Frieden finden», hörte sie plötzlich den Stadtarzt leise sagen. Er hatte sich unbemerkt hinter sie gestellt.
    Serafina nickte. «Ich hoffe, wir können ein klein bisschen dazu beitragen. Schwester Heiltrud und ich sind von ihr als Seelschwestern bestellt, um sieben Tage lang am Grab zu beten.»
    Ihr Blick schweifte zu Diebold Pfefferkorn, der als Letzter einen Schwung Erde in die Grube warf.
    «Das schlechte Gewissen ist ihm deutlich anzusehen», murmelte sie.
    «Ich habe ihm auch noch einmal gehörig den Kopf zurechtgerückt», erwiderte Achaz. «Kommt Ihr mit zum Leichenschmaus?»
    «Ja, wir alle werden gehen.»
    «Das ist schön. Da findet sich nun endlich die Gelegenheit, ein Krüglein Wein mit Euch zu trinken. Wo habt Ihr eigentlich Euren Zerberus gelassen, nachdem Ihr gestern so verzweifelt versucht habt, ihn loszuwerden?»
    «Der Zerberus heißt jetzt Michel, nach dem Schutzengel Michael, und hat sein Plätzchen bei uns im Hof gefunden.»
    «Also doch. Man muss nur hartnäckig genug sein bei den Frauen.» Achaz lachte leise. «Lassen wir die
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