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Das andere Ufer der Nacht

Das andere Ufer der Nacht

Titel: Das andere Ufer der Nacht
Autoren: Jason Dark
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nicht. Trotzdem habe ich ein komisches Gefühl. Ich bin der Meinung, dass irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Das Feuerwerk ist okay, aber was hat der Wirt da von den Knochen erzählt?«
    »Man braucht sie.«
    »Ja, für eine Totenbarke. Außerdem finde ich es nicht gut, dass wir von John noch nichts gehört haben.«
    »Er wird sich auf dem Schloss umschauen. Bis Mitternacht haben wir zudem noch Zeit.«
    »Mal sehen.«
    Suko und Bill hielten sich im Schatten der Hausmauer auf. Zusätzlich wurden sie vom Dach des Türvorbaus gedeckt, so dass sie die anderen Menschen sahen, diese aber die beiden Männer nicht. Der kleine Ort war in einen regelrechten Aufruhr geraten. Für die Bewohner hatte das Jahr mit diesem Fest und auch dem Feuerwerk den Höhepunkt erreicht. Den ganzen Tag über hatten sie bereits gefeiert. Es war getrunken und gegessen worden. Musik spielte. Frauen, Männer und Kinder tanzten, der Wein floss in Strömen. In der Dunkelheit strebte das Fest seinem Höhepunkt zu, dem so berühmten Feuerwerk, das mit einem Fackelzug eingeleitet wurde.
    Einem alten Ritual folgend, trugen allein die Männer die Fackeln. Ein aufgeschichteter Holzstoß hatte bereits Feuer gefangen, an dem die Fackeln angezündet wurden. Ein jeder Träger schritt gemessen auf das Feuer zu und hielt seine Fackel an die Flammen.
    Da sich die Herberge nicht weit vom Marktplatz des Ortes entfernt befand und dort das Feuer loderte, konnten Suko und Bill die Szenen sehr deutlich erkennen.
    Die Männer mit den schon brennenden Fackeln stellten sich in einer langen Zweierreihe auf und warteten, bis auch der letzte von ihnen ausgerüstet war. Danach setzte sich der Zug zur Felsterrasse hin in Bewegung, wo das Feuerwerk abgebrannt werden sollte. Im Gänsemarsch schritten die Einwohner los. Musiker befanden sich auch in der Gruppe. Es wurden schwermütige spanische Weisen gespielt, die zu der Landschaft passten. Auch Kinder gingen mit. Unnatürlich schweigsam waren sie, und über ihre Gesichter huschte der Schein der tanzenden Fackeln. Den Männern und Frauen erging es ähnlich, auch sie wurden von diesem Schein übergossen und wirkten wie Fremdlinge in einer nackten, kahlen Felslandschaft. Bill hatte sich etwas vorgestellt, um besser sehen zu können. Jetzt drehte er den Kopf. »Unseren Wirt habe ich nicht gesehen«, sagte er zu Suko hin gewandt.
    »Der holt die Knochen.«
    Bill kam wieder zurück. »Macht dich das Wissen darum nicht nervös?«
    »Ja.«
    »Und du willst nichts tun?«
    »Ich warte, bis die anderen verschwunden sind. Danach machen wir uns auf die Suche.«
    »Fragt sich nur, wo wir die Knochen finden können.« Der Reporter gab sich die Antwort selbst. »Möglicherweise auf dem Friedhof oder in der Kirche. Hier rechne ich mit allem.«
    »Das kann natürlich sein.«
    Wie ein langer Wurm aus tanzenden Feuerinseln zog sich die Kavalkade aus Menschen den schmalen Weg hoch, der sie zu ihrem Ziel führen sollte. Die Terrasse lag zwischen den Felsen und dennoch ziemlich frei, weil man von ihrem freien Ende aus in die Tiefe einer Schlucht schauen konnte. Wie eine Nase sprang die Terrasse vor, und sie war auch der beste Ort, um ein für Santera außergewöhnliches Feuerwerk zu entfachen.
    Die Echos würden über die Berge rollen, als wollten sie durch ihr Rufen schlafende Riesen erwecken.
    Soeben verschwanden auch die letzten Mitglieder dieser Gruppe auf den schmalen Weg, der sie zwischen die Felsen führte. Der Fackelschein verteilte sich anders. Manchmal war er sehr deutlich zu sehen, dann wieder weniger stark, weil er von irgendwelchen Vorsprüngen und Ecken beschattet wurde.
    »Machen wir uns also auf die Suche«, schlug der Reporter vor und zuckte nach diesem Satz ebenso zusammen wie Suko, weil sie zur gleichen Zeit die flüsternde Stimme vernommen hatten.
    »Das braucht ihr nicht. Ich werde euch führen…«
    Die beiden rührten sich nicht. Eine direkte Gefahr schwang nicht auf sie zu, denn die Stimme hatte einen weichen Klang besessen, und sie gehörte einer Frau.
    Aus dem Dunkel löste sich eine ganz in schwarz gekleidete Person, die ein langes dunkles Kleid trug und eine schlichte Mantilla über ihren Kopf geschlungen hatte, die ein Großteil der schwarzen Haarflut völlig verdeckte.
    Wegen dieser vorherrschenden, dunklen Farben wirkte ihr Gesicht um so blasser und bleicher. Es war von einer nahezu rührenden Zartheit. Sie kam zögernd näher, lächelte zum Zeichen der Zusammenarbeit, und die beiden Männer erwiderten den
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