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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor
Autoren: bottero
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Alle Türen im Haus bestanden aus Holz, nur Jaalabs Tor war aus einer dunklen Metallplatte gefertigt, die mit Stahlnä-
    geln verstärkt war. Sie hatte etwas Bedrohliches, und der Türknauf aus Elfenbein in ihrer Mitte wirkte beinahe lächerlich.

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    »Wir sind dumm!«, rief Nathan, als er sie sah. »Vollkommen dumm!«
    »Was ist denn?«
    »Wir können diese Tür nicht so benutzen wie die, durch die wir ins Haus gekommen sind«, erinnerte er sie.
    »Wie sollen wir …«
    Er hielt inne und lauschte der inneren Stimme, die plötzlich in seinem Kopf sprach und das altüberlieferte Gedächtnis der Mnemiker übertrug.
    »Von den eintausendsiebenhundertundsieben Türen des Hauses im Irgendwo wurden seit Beginn unserer Welt eintausendsiebenhundert von den Baumeistern geschaffen.
    Jeder, der einmal hindurchgegangen und zum Irgendwo gelangt ist, kann sie benutzen.
    Die sieben anderen Türen, die Eisentore, öffnen sich vom Haus aus. Sie führen zu anderen Orten, zu fremden und gefährlichen Orten. Diese Orte sind sogar so gefährlich, dass die Baumeister weise entschieden haben, ihre Benut-zung nur auf die Mitglieder ihrer Familie zu beschränken.
    Und sie haben geschworen, dass sie sie nicht mehr benutzen würden …«
    Nathan brummelte irritiert vor sich hin.
    »Das ist der richtige Moment, um dich zu offenbaren«, rief Nathan der unsichtbaren Stimme zu. »Wenn es noch mehr Dinge gibt, die ich wissen sollte, dann sag’s mir jetzt. Das würde Zeit und mir vielleicht eine Menge Ärger ersparen!«
    Das Gedächtnis der Mnemiker blieb stumm. Mit einem Seufzer der Enttäuschung erzählte er Shaé, was er erfahren hatte.
    »Das deckt sich mit dem, was wir in der Inkunabel ge-305

    lesen haben«, bemerkte sie. »Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass Jaalab durch diese Tür gekommen ist.«
    »Laut Rafi sind die drei Teile des Anderen wieder frei.
    Wenn wir eine logische Erklärung für die Rückkehr Jaalabs finden wollen, dann müssen wir jenseits des achten Tores suchen. Aber eins nach dem anderen, okay?«
    »Gut. Bist du bereit?«
    »Bereit.«
    Nathan zog sein Schwert und ging in Stellung. Shaé legte ihre Hand auf den Türknauf aus Elfenbein.
    Mit einem schaurigen Knarzen ging die Tür auf.

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13
    in grauenhafter Geruch.
    E Ein grässliches Gemisch aus Schwefelgestank, faulig-modrigem Sumpf und Verwesungsausdünstungen.
    Und dann das Licht.
    Schmerzhaft und dennoch fahl. Dämmerig, wobei diese Dämmerung das Ende der Menschheit verkünden musste und nicht den anbrechenden Tag.
    Und schließlich die Vegetation.
    Feucht und stickig, ein ungesundes, ins Gelbliche ver-laufendes Grün; fette Pflanzen, deren Blätter spitze Stacheln trugen; verkrüppelte Bäume mit gewundenen Stämmen, von denen jeder Ast Bedrohung und Verwün-schung verhieß; Dornenbüsche, in denen tausend Gefahren lauerten; Moose mit todbringenden Ausdünstungen.
    Eine Endzeitvegetation.
    Ein schmaler Pfad wand sich durch die schaurige Landschaft auf eine schroffe Felsspitze zu, deren wilder Umriss sich zwischen den Zweigen abzeichnete.
    Sie blickten in den dunstigen Himmel und drehten sich dann gleichzeitig um.
    Sie standen am Fuß einer niedrigen Felswand, von der eine Fülle fetter, mit vielen Stacheln besetzter Schling-pflanzen herabhing. Die Rückseite des Tores bestand aus schwarzem Stein, in deren Mitte der gleiche Knauf aus Elfenbein angebracht war wie auf der anderen Seite.

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    »Wohin gehen wir?«, erkundigte sich Nathan.
    »Folgen wir dem Pfad. Irgendwohin muss er führen.«
    »Vielleicht tausend Kilometer von hier weg. Oder noch weiter, wenn wir Pech haben.«
    »Wir sind in einer Weltblase. Einem Gefängnis. Meine Vorfahren haben es einzig aus dem Grund gebaut, um Jaalab einzuschließen. Glaubst du, sie waren so dumm und haben ihm ein so großzügiges Gefängnis gebaut?«
    Nathan sah sie einen kurzen Moment überrascht an.
    Sie strahlte eine Selbstsicherheit aus, die er bisher nicht von ihr kannte.
    »Du hast dich verändert«, sagte er.
    »Und du wiederholst dich.«
    »Ich meine deine Art, dich auszudrücken.«
    »Hab ich verstanden. Komm, weiter.«
    Sie setzten sich in Bewegung.

    ***

    Die Weltblase war eigenartig still. Nur das Rauschen der Blätter und das Surren der unsichtbaren Insekten waren zu hören. Daher klang das Geheul, das plötzlich aus-brach, übermäßig laut. Es ertönte zwar ein gutes Stück weiter weg, aber die beiden Wanderer erkannten die Kreatur, die es ausgestoßen hatte: ein Werwolf.
    »Hat dir dein mnemisches
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