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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor
Autoren: bottero
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zwölf. Blieb zu hoffen, dass die Schneedecke nicht zu dick wurde und seine Mutter daran gedacht hatte, die Winterreifen zu montieren.
    Seine Mutter.
    Als er auf einmal ihr Gesicht vor sich sah, musste er sich am Lenkrad festkrallen. Der Wagen geriet ins Schleudern, streifte leicht die Böschung und driftete dann zur Straßenmitte, die glücklicherweise leer war.
    Er schlingerte noch ein Stück, fing sich dann aber wieder.
    Nicht nachdenken, keine Gefühle aufkommen lassen, sich auf sein Ziel konzentrieren. Nathan atmete mehrere Male tief aus. Langsam fand sein Herzschlag wieder zu einem normalen Rhythmus zurück. Der Steg. Die Elchhufe. Nur das zählte. Der Rest war unwichtig.
    Als er in den Parc de la Mauricie hineinfuhr, beruhigte er sich.
    Ein scharfer Wind war aufgekommen, hatte die Wolken verjagt, und ein runder, goldener Mond erleuchtete die Baumspitzen. Wie damals, als er mit seinen Eltern hergekommen war, beeindruckte Nathan diese Veränderung. Kein Auto mehr, keine Straßenlaterne, kein Ge-bäude, nicht einmal ein einfaches Schild, nur die Straße als einzige Verbindung zur Welt.
    Er hielt an.
    Auf dem Asphalt vor ihm war ein unendlich langer, weißer Teppich ausgerollt. Nathan spürte ein flaues Gefühl im Magen. Noch war es Zeit umzukehren, zur Polizei zu gehen, um Hilfe zu bitten, aufzugeben.
    Für eine Sekunde schloss Nathan die Augen.
    Als er sie wieder aufmachte, stand sein Entschluss fest.

    42

    Er legte den Gang ein und fuhr langsam weiter in den Park.

    ***

    Bis zum Lac Bouchard verlief die Fahrt ohne Hindernisse.
    Nathan fuhr vorsichtig, der Pontiac blieb auf der Straße.
    Das stimmte ihn zuversichtlich. Doch dann wurde die Schneedecke dicker, und die Straße stieg an. Auf einmal begannen die Räder durchzudrehen. Er musste zurück-setzen und Schwung nehmen, um die heikle Passage zu meistern. Die nächste Kurve nahm er ein bisschen zu schnell und schlitterte um Haaresbreite am Straßengraben entlang.
    Achthundert Meter vor dem Lac du Fou war klar, dass der Pontiac nicht mehr weiterfahren konnte. Nathan musste ihn stehen lassen. Er schlug den Kragen seines Parkas hoch, zog sich die Mütze über die Ohren und ging zu Fuß weiter, wobei er bedauerte, nicht seine Winter-stiefel angezogen zu haben.
    Es dauerte keine Viertelstunde, bis er den Weg erreicht hatte, der hinunter zu der kleinen Felsbucht führte. Er rannte bergab und versank manchmal bis zu den Knien im Pulverschnee, ohne dabei an den anstrengenden Wie-deraufstieg zu denken.
    Als er die Uferböschung erreicht hatte, warf er einen skeptischen Blick auf den See. Wenn die Oberfläche schon zugefroren war, musste er zwangsläufig einen Umweg von über fünf Kilometern in Kauf nehmen. Er war sich nicht sicher, ob seine Kraft dafür noch reichte.
    Deshalb seufzte er erleichtert, als er das Plätschern der 43

    kleinen Wellen hörte, die gegen die Wurzeln der nah am Wasser stehenden Bäume schlugen. Er konnte ans andere Ufer übersetzen.
    Ein Boot zu stehlen – oder besser gesagt: eins auszulei-hen – machte ihm kein schlechtes Gewissen. Er lief zum Bootshaus, in dem der Verleiher seine Kanus unterstellte.
    Es war mit einem großen Vorhängeschloss gesichert, aber die Kette hielt die Tür nur an zwei wackeligen Haken zusammen.
    Nathan war überzeugt, dass sich im Umkreis von zwanzig Kilometern keine Menschenseele aufhielt. Dennoch beobachtete er vorsichtig seine Umgebung. Schließ-
    lich holte er tief Luft und packte mit beiden Händen die Kette.

    ***

    Auf dem See war es kalt, sehr kalt. Nathan klapperte mit den Zähnen. Er konnte paddeln, so kräftig er wollte, der Schlafmangel und seine aufgewühlten Gefühle machten sich jetzt gefährlich bemerkbar.
    Der Anblick des Felsvorsprungs am anderen Ufer machte ihm wieder Mut. Ein Felsen, den er gut kannte.
    Der Vollmond, der sich im Schnee spiegelte, tauchte ihn in silbriges Licht, während ihm das enthaltene Bauxit –
    daran erinnerte sich Nathan genau – tagsüber das Aussehen einer Festung aus verrostetem Eisen verlieh. Unterhalb davon lag das Chalet.
    Nathan steuerte das Kanu bis zum Steg und kletterte hinauf. Wie besessen begann er, die Planken vom Schnee zu befreien.

    44

    Und hielt schnell wieder inne.
    Seine vor Kälte starren Hände waren nicht besonders effektiv. Er benötigte ein Werkzeug, einen Besen oder eine Schaufel. Er lief zum Chalet.
    Als er die Steintreppe erreichte, die zur Veranda führte, bemerkte er die Spuren. Riesige Abdrücke, die über den Weg führten und sich
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