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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor
Autoren: bottero
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den Elchhufen.‹
    Es war im vergangenen Sommer gewesen. Höchst selten kam es vor, dass Nathans Eltern beschlossen, vier Tage am Stück mit der Familie zu verbringen. Die Computer wurden abgeschaltet und die Handys blieben zu Hause, und dann fuhren alle drei mit dem Auto zum 38

    Parc de la Mauricie. Nathan erinnerte sich zu seiner Überraschung, dass sie jenseits der Hauptstraßen eine Landschaft entdeckt hatten, die aus einem Roman von James Curwood oder Fenimore Cooper hätte stammen können. Wälder, so weit das Auge reichte, übersät mit Seen, kristallklarem Wasser, Flüssen, Wasserfällen und einer Vielzahl von Wegen, die ins Unbekannte führten.
    Sie hatten ein Kanu gemietet, um den Lac du Fou zu überqueren. Ihr Ziel war eine Hütte am Fuße eines Felsvorsprungs. Vier zeitlose Tage, in denen Nathan wieder zu seinen Eltern gefunden hatte – ›gefunden‹ war das richtige Wort. Baden, Angeln, Wandern. Und am Abend des dritten Tages, auf dem Bootssteg am See, deutete er mit dem Arm auf eine Stelle:
    »Ein Elch! Dort, auf dem Weg!«
    Doch es war nur ein Pferd. Der Irrtum brachte seine Mutter, eine ehemalige Reiterin, zum Lachen, und sein Vater konnte sich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen:
    »Natürlich gibt’s hier Elche, aber unserer hat nur zwei Hufe und steht neben mir auf dem Steg!«
    Den ganzen nächsten Tag über riefen ihn seine Eltern
    ›mein kleiner Elch‹. Dann fuhren sie zurück nach Montreal, zurück in den Alltag.
    ›Erklärungen und Ratschläge unter den Elchhufen.‹
    Nathan wusste, wo er zu suchen hatte. Dieses Wissen entzündete ein kleines Licht in einem Universum, das noch kurz zuvor vollkommen schwarz gewesen war.

    ***

    39

    Der Wagen seiner Mutter, ein blauer Pontiac Firebird, stand an der Ecke Avenue Chester. Er hatte ihn schon gesehen, als er von der Schule zurückkam, und sich gefragt, weshalb sie so weit weg vom Haus geparkt hatte.
    Er würde auf diese Frage niemals eine Antwort erhalten, wie auch nicht auf viele andere, aber er würde sich diese Chance nicht entgehen lassen.
    Seine Mutter hatte eine australische Angewohnheit beibehalten und einen Ersatzschlüssel in einer kleinen magnetischen Dose unter der Karosserie versteckt.
    Nathan entdeckte das Versteck in weniger als zehn Sekunden. Er musste beinahe lachen, weil ihm der Gedanke kam, man hätte ja den Schlüssel auch gleich im Zünd-schloss stecken lassen können – doch dann besann er sich wieder. Die Situation war alles andere als komisch.
    Auto fahren hatte er gelernt, als er noch sehr jung war, auf den sandigen Pisten, die sich über ihre riesige Ranch in Tansania zogen. Er würde problemlos den Parc de la Mauricie erreichen und war sich sicher, mitten in der Nacht nicht von der Polizei kontrolliert zu werden.
    Der V8-Motor brummte beim ersten Startversuch los.
    Die Uhr im Armaturenbrett zeigte drei Uhr morgens.
    Nathan legte den Gang ein und trat leicht aufs Gaspedal.
    Der Pontiac reagierte geschmeidig.
    Er fuhr auf einer langen Avenue, die, ähnlich wie ihre Straße, mit schönen Häusern gesäumt war. Dann bog er auf die Stadtautobahn, in Richtung Trois-Rivières.
    Es begann wieder zu schneien.

    40

5
    athan nahm seine Geschwindigkeit erst wahr, als er N durch Shawinigan fuhr. Einhundertvierzig Kilometer pro Stunde anstatt der einhundertzehn, die auf der Autobahn erlaubt waren. Wozu sollte er ernsthaften Ärger mit der Polizei riskieren? Er nahm ein bisschen Gas weg und konzentrierte sich auf die Straße.
    Es schneite unablässig. Leichte Flocken, die der Scheibenwischer mühelos hinwegfegte und die die Sicht nicht beeinträchtigten. Schneeflocken, an denen sich Nathan festklammerte wie an einer unsichtbaren Rettungsboje.
    Die Landschaft, die die Scheinwerfer von Zeit zu Zeit erhellten, war noch weißer geworden, seitdem Nathan den Saint-Lawrence-Strom hinter sich gelassen hatte. Als er die engen Kurven hinter Saint-Jean-des-Piles in Angriff nahm, tauchten die ersten Schneeverwehungen auf, und er verzog das Gesicht. Bei aller Liebe zum Schnee – das hier gefiel ihm gar nicht. Die Straße, die durch den Nationalpark führte, wurde im Winter nicht geräumt. Möglicherweise war sie unbefahrbar, und der Lac du Fou lag noch mehr als zehn Kilometer weiter im Innern des Parks. Er konnte sich nur schwer vorstellen, die Strecke zu Fuß zurückzulegen, zumal die Temperatur auf unter minus zehn Grad gesunken sein musste.
    Ein Blick auf das Thermometer im Armaturenbrett be-41

    stätigte seine Ahnung. Minus
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