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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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Mentalität einführte. Und das nicht ohne Erfolg, musste sich Vicky eingestehen, denn inzwischen fand sie einiges an ihrer neuen Heimat sogar ausgesprochen sympathisch.
    Gemeinsam setzten sie sich an den großen Olivenholztisch, den Vicky im Erker ihrer Wohnküche aufgestellt hatte.
    „Du willst heute Zeitungen lesen?“, fragte Lisa und zeigte auf den Stapel, den Vicky ausgelegt hatte.
    „Ich dachte, du könntest mir ein bisschen helfen mit den Berliner Zeitungen“, sagte Vicky, während sie die Milch aufschäumte.
    Lisa blätterte. „Du hast nichts ausgelassen“, sagte sie auf Englisch. Vicky setzte sich neben sie.
    „Das nennen wir Boulevardzeitungen“, sagte Lisa und legte die Blätter mit dem grellen Rot im Titel auf einen Stapel. „Die eignen sich besonders gut zum Deutschlernen. Viele kurze Sätze und aussagekräftige Bilder.“ Lisa zeigte auf eine barbusige Frau auf der Titelseite.
    „Ich bin einfach neugierig. Gestern war ich an der Krummen Lanke joggen, und dann war plötzlich überall Polizei. Ich will wissen, was passiert ist“, sagte Vicky auf Englisch.
    „Polizei? Die Polizeinachrichten findest du unter Lokales. In manchen Zeitungen steht einfach nur Berlin darüber“, sagte Lisa und öffnete die Berliner Zeitung.
    „Hier, das muss es sein.“ Lisa zeigte auf einen Artikel mit der Überschrift: Die Tote im Fenn. „Weißt du noch, was Fenn bedeutet?“
    „Ja, Frau Lehrerin, an diese Lektion kann ich mich tatsächlich erinnern. Mit Fenn bezeichnet man hier in Brandenburg Moor. Genauso wie Luch. Riemeisterfenn, Langes Luch. Schlachtensee. Krumme Lanke. Was für martialisch klingende Namen! So typisch deutsch.“
    „Na ja, eher flämisch. Aber für eine Engländerin sprichst du diese schweren Worte richtig gut aus“, sagte Lisa. „Komm, lass uns den Artikel jetzt Wort für Wort übersetzen.“ Sie riss die Meldung aus der Zeitung heraus.

Die Tote im Fenn
    Zum Mittagessen stand Bärlauchpesto auf dem Speiseplan. Als eine Berliner Kräutersammlerin am Dienstagmorgen im Grunewald Bärlauch pflücken wollte, machte die Frau eine grausige Entdeckung: Im Riemeisterfenn fand sie hinter einem Gebüsch die Leiche einer Frau. Wie die Polizei mitteilte, wurde die Tote Opfer eines Gewaltverbrechens.
    Nach Angaben der Polizei ist nicht ausgeschlossen, dass die Frau an einem anderen Ort getötet und später zum Fundort gebracht wurde. Ebenso ist nicht ausgeschlossen, dass sie einem Sexualdelikt zum Opfer fiel.
    Vermutlich handelt es sich bei der am Dienstagmorgen entdeckten Toten um eine 38-jährige französische Staatsbürgerin, die sich als Touristin in Berlin aufhielt. Sie konnte aufgrund der Ausweispapiere, die in der Nähe der Leiche gefunden wurden, identifiziert werden. Die Frau war zuletzt gesehen worden, als sie um kurz vor fünf ihr Hotel in Zehlendorf verließ, vermutlich um im nahen Grunewald zu joggen.
    Am Dienstag suchte eine Hundertschaft der Polizei das Waldgelände großflächig ab, um eventuelle Beweismittel zu finden. Gleichzeitig sucht die Mordkommission Zeugen, die in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr in der Nähe des Leichenfundorts Verdächtiges beobachtet haben. Die Kräutersammlerin, die die Leiche gefunden hat, wird psychologisch betreut.

„Bist du um die Zeit da gewesen?“, fragte Lisa.
    „Als Zeugin tauge ich nicht. Ich bin später gelaufen, weil ich morgens mit Kopfweh aufgewacht bin. Schade, dass sie nicht schreiben, wer die Tote ist.“
    Vicky hatte sich über eine Schüssel mit Amarettini hergemacht, die sie geräuschvoll zermalmte. „Bei uns hieße das sofort: Victoria M. aus Poole, 38“, fuhr sie fort, während sie hoffte, dass Lisa nicht bemerkte, wie sie die Altersangabe in der Zeitung erleichtert hatte. Die Frau konnte nicht ihre Zwillingsschwester sein, sie war ein Jahr älter als sie. Außerdem ausländische Staatsbürgerin ... Sie musste aufhören, sich verrückt zu machen.
    „Bei uns auch, wenn die Zeitungen selbst recherchieren. Die Polizei darf die Identität der Frau natürlich nicht preisgeben“, sagte Lisa und griff nun ihrerseits in die inzwischen fast leere Keksschale. „Vielleicht sollten wir in Zukunft nur noch in männlicher Begleitung im Wald laufen. Oder uns einen Dackel zulegen.“
    „Und was mache ich, wenn der Dackel auf mein Baby eifersüchtig wird?“
    „Eintopf.“
    Vicky musste sich die Hand vor den Mund halten, sonst hätte sie Amarettinikrümel über den Tisch geprustet.

10. Krumme Lanke
     
    Die Fotos waren eindeutig.
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