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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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an, auf den gesellschaftlichen Kontext wissenschaftlicher Theorien zu verweisen und vorzugeben, die Wissenschaft sei daher ausschließlich gesellschaftlich bedingt. Im selben Geist wird für gewöhnlich behauptet, infolge dieser Herkunft komme der Wissenschaft keine Autorität zu, sodass ihre Wahrheiten einfach von gesellschaftlicher Konvention bestimmt seien.
    Die viktorianischen Evolutionsforscher bieten eine exakte Widerlegung dieser Ansicht. Wallace zum Beispiel war ein Kind armer Eltern, wurde eine Zeit lang zu einem Uhrmacher in die Lehre gegeben (offensichtlich war einer unserer Zauberer beauftragt worden, dafür zu sorgen), wurde dann ein erfolgreicher – wenngleich armer – Landmakler, danach ein erfolgreicherer Tier- und Pflanzensammler. Er verdiente nie genug Geld, um den Aufstieg in die obere Mittelschicht zu schaffen, selbst als sein Stern neben dem von Darwin aufgestiegen war.
    Darwin war ein junger Aristokrat, Sohn gut situierter Eltern, und es wäre für ihn durchaus angemessen gewesen, Kurat zu werden – und tatsächlich eine Theologie der Arten zu schreiben. Andere Verfechter der Evolution, so verschieden wie Owen (den Darwin wegen seiner sorgfältigen Analyse der anatomischen Implikationen der Darwin-Wallaceschen Idee der natürlichen Auslese irrtümlich für einen Gegner der Evolutionstheorie hielt), Huxley, Spencer, Kingsley, stammten alle aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Wir haben gesehen, dass die erste Auflage der Entstehung der Arten dem Markt nicht gerecht wurde und am zweiten Morgen nach der Veröffentlichung ausverkauft war. Wäre das im Indien des 19. Jahrhunderts geschehen? In Russland unter den Zaren oder nach der Revolution? In den Vereinigten Staaten … möglicherweise. Und im deutschen Teil von Preußen. Dickens’ Geschichten, so kritisch sie die bestehende Ordnung darstellten, wurden von allen Gesellschaftsschichten in England sehnsüchtig erwartet – und von vielen im Osten der Vereinigten Staaten.
    Es wäre durchaus nicht allzu seltsam gewesen, wenn diese heterogene Gesellschaft unterschiedliche Gruppen enthalten hätte, die unterschiedliche Ideen aufgegriffen hätten, je nach ihren verschiedenen Philosophien und Theologien. Was jedoch tatsächlich geschah – sowohl mit Dickens wie auch mit Darwin und später mit Wells –, war eine sehr allgemeine Wertschätzung ihrer radikalen Ideen sehr weit über die verschiedensten Gruppen hinweg. Dieselben alternativen Ansichten wurden von vielen verschiedenen Schichten der Gesellschaft begrüßt. In größerem Maß als vielleicht in jeder anderen Gesellschaft seither war Heterogenität beinahe die Regel. Arbeiterklubs waren – dank der Einrichtung von Abendschulen durch den Arbeiterbildungsverein (Worker’s Educational Association) – Brutstätten für rationale Argumentation. Die Bildung für den gemeinen Mann wurde von den neuen Technischen Colleges und von der Britischen Assoziation zur Förderung der Wissenschaft vorangetrieben.
    In gewissem Maß galt das auch für die embryonalen Universitäten, die von philanthropischen Diskussionsgruppen in den großen Städten gegründet worden waren. Jene Einrichtungen, dunkelrote Ziegelbauten, die man in den Zentren aller englischen Industriestädte fand, unterschieden sich sehr von den althergebrachten Universitäten. Die andere Hälfte des Gebäudes oder das Gebäude in derselben Straße gegenüber war oft die Öffentliche Bibliothek, eine Einrichtung, die es zu jener Zeit in Russland oder China nicht gab. Jene Organisationen boten eine Aufstiegsmöglichkeit von ungelernter körperlicher Arbeit zum ausgebildeten Handwerk, und in der ganzen viktorianischen Welt gab es tausende solcher Einrichtungen.
    Die echten Universitäten, die von Oxford, Cambridge, Edinburgh und St. Andrew’s, verbreiteten vermittels der Klassik und der literarischen und politischen Künste die Orthodoxie. Die Naturwissenschaften fanden allmählich Zugang, hauptsächlich in Form von theoretischer Physik und Astrophysik, für die man nur Gehirne und Wandtafeln benötigte, wie auch für die Mathematik. Praktische Wissenschaften wie Geologie und Paläontologie, Chemie und Zoologie fanden in dunklen und schmutzigen Laboratorien mit großen Trennwänden aus Glas und dunklem Holz statt, die Botanik fand Rückhalt in wohlriechenden Herbarien. Derlei Arbeit hatte einen sehr niedrigen Status im Vergleich zu Mathematik und Philosophie – sie erinnerte an körperliche Arbeit und Schmutz. Die Archäologie
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