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Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)

Titel: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ (German Edition)
Autoren: Giulia Enders
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besuchte, war die Runde überschaubar. Etwa die Hälfte kam aus Institutionen, die es sich finanziell leisten können, bei »den Ersten« dabei zu sein, wie aus Harvard, Yale, Oxford oder dem EMCL Heidelberg.
    Manchmal erschreckt es mich, wenn Wissenschaftler hinter geschlossenen Türen über wichtige Erkenntnisse diskutieren – ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. Oft ist wissenschaftliche Vorsicht besser als eine vorschnelle Behauptung. Aber Angst kann auch wichtige Chancen kaputtmachen. Es gilt in der Wissenschaftswelt mittlerweile als anerkannt, dass Menschen mit bestimmten Verdauungsproblemen häufig Nervenstörungen im Darm haben. Ihr Darm sendet dann Signale an einen Bereich im Gehirn, der unangenehme Gefühle verarbeitet, obwohl sie gar nichts Schlimmes getan haben. Die Betreffenden fühlen sich unwohl und wissen nicht, warum das so ist. Wenn ihr Arzt sie dann als irrationale Psychofälle behandelt, ist das sehr kontraproduktiv! Das ist nur eines der Beispiele dafür, dass manches Forschungswissen schneller verbreitet werden sollte!
    Dies ist mein Ziel mit diesem Buch: Ich will Wissen greifbarer machen und dabei auch das verbreiten, was Wissenschaftler in ihren Forschungsarbeiten schreiben oder hinter Kongresstüren bereden – während viele Menschen nach Antworten suchen. Ich verstehe, dass viele Patienten, die unangenehme Krankheiten haben, enttäuscht sind von der Medizin. Ich kann keine Wundermittel verkaufen, und auch ein gesunder Darm wird nicht jede Krankheit heilen. Was ich allerdings kann, ist, in charmantem Ton erklären, wie es so läuft im Darm, was die Forschung Neues bietet und wie wir mit diesem Wissen unseren Alltag besser machen können.
    Mein Medizinstudium und meine Doktorarbeit am Institut für Medizinische Mikrobiologie helfen mir dabei, Ergebnisse zu bewerten und einzusortieren. Meine persönliche Erfahrung hilft mir dabei, Menschen das Wissen näherzubringen. Meine Schwester hilft mir dabei, nicht abzudriften, denn dann schaut sie mich beim Vorlesen an und sagt grinsend: »Das machst du noch mal.«

1
    DARM MIT CHARME

Die Welt sieht viel lustiger aus, wenn wir nicht nur das sehen, was man sehen kann – sondern auch noch all den Rest. Ein Baum ist dann kein Löffel. Das ist grob vereinfacht nur die Form, die wir mit den Augen wahrnehmen: ein gerader Stamm mit einer runden Krone. Auge sagt uns zur Form: »Löffel.« Unter der Erde sind allerdings mindestens so viele Wurzeln wie oben Äste in der Luft. Hirn müsste dann eigentlich so etwas wie »Hantel« sagen, tut es aber nicht. Den meisten Input kriegt das Hirn von den Augen und höchst selten mal von einer Abbildung im Buch, die einen Baum vollständig zeigt. Also kommentiert es brav die vorbeirauschende Waldlandschaft mit: »Löffel, Löffel, Löffel, Löffel.«
    Während wir so »löffelmäßig« durchs Leben laufen, verpassen wir großartige Dinge. Unter unserer Haut ist dauernd etwas los: Wir fließen, pumpen, saugen, quetschen, zerplatzen, reparieren und bauen neu auf. Eine ganze Belegschaft ausgeklügelter Organe arbeitet so perfekt und effizient zusammen, dass ein erwachsener Mensch pro Stunde etwa so viel Energie benötigt wie eine 100 -Watt-Glühbirne. Jede Sekunde filtern Nieren unser Blut akribisch sauber – wesentlich genauer als Kaffeefilter – , und meist halten sie dabei auch noch ein Leben lang. Unsere Lunge ist so clever entworfen, dass wir eigentlich nur beim Einatmen Energie verbrauchen. Das Ausatmen passiert ganz von selbst. Wären wir durchsichtig, könnten wir sehen, wie schön sie aussieht: wie ein Aufziehauto in Groß und weich und lungig. Während manchmal einer von uns dasitzt und denkt: »Keiner mag mich«, legt sein Herz gerade die siebzehntausendste 24 -Stundenschicht für ihn ein – und hätte jedes Recht, sich bei solchen Gedanken ein bisschen außen vor gelassen zu fühlen.
    Würden wir mehr sehen als das, was sichtbar ist, könnten wir auch dabei zuschauen, wie Zellklumpen in Bäuchen zu Menschen werden. Wir würden auf einmal verstehen, dass wir uns grob aus drei »Schläuchen« entwickeln. Der erste Schlauch durchzieht uns und verknotet sich in der Mitte. Das ist unser Blutgefäßsystem, aus dem unser Herz als zentraler Gefäßknoten entsteht. Der zweite Schlauch bildet sich fast parallel auf unserem Rücken, formt eine Blase, die an das oberste Ende des Körpers wandert und dort bleibt. Das ist unser Nervensystem im Rückenmark, aus dem sich das Gehirn entwickelt und aus dem
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