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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld
Autoren: Kjetil Johnsen
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schwer ist. Er nimmt immer drei Stufen auf einmal und Katie hört seinen Atem – stoßweise – immer dichter hinter sich.
    Doch dann endlich hat sie das obere Ende der Treppe erreicht und drückt die Tür auf. Sie stürzt hinaus ins schwindelerregende Freie. Auf der einen Seite des Damms erstreckt sich die unendliche Wasserfläche. Und auf der anderen Seite – nur getrennt durch einen hüfthohen Zaun – geht es in die Tiefe hinunter zum Fluss.
    Alles hier ist so riesig im Vergleich zum engen Kontrollraum und dem Korridor und der Treppe im Betonmonster, dass ihr schwindelig wird. Sie verliert jedes Gefühl für Richtung und Entfernung. Sie stolpert über ihre eigenen Füße und taumelt ein Stück weiter. Dann fällt sie. Sie hört die Schritte ihres Pflegevaters hinter sich wummern. Er packt sie bei den Schultern, zieht sie hoch und schleudert sie von sich weg. Katie rollt zur Seite, als sie gegen den Zaun prallt. Mühsam richtet sie sich auf und hebt die Hände. „Warte!“
    Der Pflegevater will sie packen. Er ist stark wie ein Bär, aber Katie tritt nach ihm, und er muss sie loslassen, um auszuweichen. Er macht einen Schritt rückwärts und flucht, dann geht er leicht in die Knie und breitet die Arme aus, um sie wieder einzufangen.
    „Tu es nicht!“
    Eine dünne, zitternde Stimme durchschneidet die Luft. Beide sehen sich überrascht um.
    Es ist Nicholas. Er wartet sechs oder sieben Meter entfernt am Eingang zum schmalen Steg, der auf der Staumauer verläuft. Der Steg, auf dem sie stehen. Mit den Händen hält er etwas Großes, Schwarzes auf Katie und den Pflegevater gerichtet.
    Er ruft: „Lass sie in Ruhe!“
    Katie ruft: „Ja, Nicholas.“
    Der Pflegevater kommt näher, er steht jetzt zwischen Bruder und Schwester. Er dreht Nicholas den Rücken zu, würdigt ihn keines Blickes. Er ist außer sich vor Zorn. Mit beiden Händen schubst er Katie in Richtung der Tür, durch die sie gekommen sind.
    „Wir beide sind noch nicht fertig“, zischt er. „Du wirst mir verdammt noch mal … ich werde dich …“
    Katie schreit: „Tu es, Nicholas. Jetzt!“
    Nicholas kneift die Augen zusammen und der Lauf des Revolvers hebt sich zwei Mal. Die Schüsse folgen so dicht aufeinander, dass es wie einer klingt.
    BA-BAMM .

7
    „Das gefällt mir nicht“, sagte Kruse zum wer weiß wievielten Mal. „Das ist so verkehrt, das ist so absolut daneben.“
    „Ich hab’s verstanden“, sagte Klas Olofson.
    Olofson war ein altgedienter Kollege Ende fünfzig. In zwei Jahren würde er in Rente gehen. Er wünschte, er hätte einen anderen Partner als diesen hyperaktiven Jungspund Kruse zugeteilt bekommen.
    „Das ist unfassbar …“, sagte Kruse.
    „Was denn?“
    „Er konnte es ja selbst kaum glauben“, sagte Kruse. „Hast du das nicht gesehen? Er hat ja einen richtigen Schock gekriegt, als wir ihm mitgeteilt haben, dass er entlassen wird. Das könnt ihr nicht tun, hat er gesagt. Ich habe das Mädchen umgebracht, hat er gesagt. Aber wir … und ich meine, verdammt noch mal, wir sind die Polizei! Wir sagen: Das macht doch alles nichts. Wir lassen dich trotzdem gehen, kein Problem. Scheiße!“ Kruse schlug auf das Armaturenbrett. Zum wer weiß wievielten Mal im Laufe der letzten Stunde.
    „He!“, sagte Klas Olofson. „Das hier ist mein Auto, ja? Mein Privatwagen.“
    „Echt?“
    „Ja.“
    „Warum fahren wir in deinem Privatauto?“
    „Wir haben hier auf der Wache keine Zivilfahrzeuge“, sagte Klas Olofson. „Also, wir haben eins, aber das ist in der Inspektion. Und dann hatten wir noch eins, aber das hat der Sohn vom Polizeimeister vor zwei Wochen zu Schrott gefahren.“
    „Der Sohn vom Chef?“, sagte Kruse. „Ist der denn auch bei der Polizei?“
    „Nein, zum Glück nicht“, antwortete Klas Olofson. Er wollte die Sache nicht weiter vertiefen, es war ohnehin schon unangenehm genug für das ganze Revier. Er setzte sich bequemer hin und packte eine Thermoskanne aus. Behutsam schraubte er den Deckel auf und goss sich ein. Mit einem Seitenblick auf Kruse sagte er: „Ich habe irgendwo noch eine zweite Tasse. Wenn du auch einen Schluck willst …“
    „Hm?“ Kruse hatte sich abgewandt. Er starrte in Richtung von Doktor Wolffs Grundstück auf der anderen Straßenseite, knapp zehn Meter entfernt. Die Gegend war ruhig, hier standen hauptsächlich Einfamilienhäuser aus den Siebzigerjahren.
    „Kaffee?“, fragte Klas Olofson.
    „Ah. Nein danke.“ Kruse rümpfte die Nase und zog die Mundwinkel nach unten. „Ich sehe so
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