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Dark Moon

Dark Moon

Titel: Dark Moon
Autoren: Claire Knightley
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einen Ferrari oder einen Porsche erwartet, irgendetwas, was nach viel Geld aussah. Stattdessen stand in der Einfahrt zur Garage ein alter blauer Nissan-Pick-up, der einen langen Dachkoffer geladen hatte.
    Ich parkte meinen Käfer am Straßenrand und wir gingen zum Haus. Im Vorübergehen warf ich einen schnellen Blick ins Innere des Lieferwagens. Auf dem Rücksitz lag unter zwei Spanngurtrollen die aktuelle Ausgabe des American Art Collector .
    »Sie ist bestimmt irgendwo in der Nähe«, sagte Mark. Er drückte eine Kurzwahltaste seines Telefons, runzelte aber gleich darauf die Stirn. »Da meldet sich nur die Mobilbox.«
    »Vielleicht ist sie runter zum Leuchtturm gegangen?«, fragte ich. Von hier aus war es nicht weit zum Lighthouse Park, von dem aus man einen guten Ausblick auf die Skyline von Vancouver hatte. Als Mark noch hier gewohnt hatte, hatten wir oft die Abende dort verbracht. Es ist der romantischste Ort, den Vancouver zu bieten ha t – oder auch der gespenstischste, es kommt ganz aufs Wetter an. Durch die landeinwärts ziehenden Seewinde kühlt sich die feuchte Luft in den Bergen ab. Es gibt kaum eine Woche, in der es nicht mal einen Tag Bindfäden regnet. Besonders im Frühjahr und Herbst ist die ganze Westküste in dichten Nebel gehüllt. Dann kann der Weg zwischen den flechtenbewachsenen Baumriesen hindurch ganz schön unheimlich sein.
    Doch an diesem Morgen zeigte sich der Lighthouse Park von seiner besten Seite. Der Himmel war strahlend blau, die Luft klar. Wind rauschte in den uralten Bäumen, als wir den Wald verließen und gleich darauf den Point Atkinson erreichten. So früh am Tag waren nur wenige Besucher da. Mark zeigte auf eine Gestalt, die am Weststrand auf einer Picknickdecke saß; ihr Blick war aufs Meer gerichtet.
    »Miss Frazetta?«, rief er.
    Rasch kletterten wir die glatten Felsen hinab.
    Die Frau drehte sich zu uns um und stand lächelnd auf. Sie klopfte sich den Sand von der Hose.
    »Mark Dupont?«, fragte sie.
    »Willkommen in Vancouver«, sagte er.
    Von wegen exzentrisch. Emilia war eine hochgewachsene, feingliedrige Frau und sah aus wie Ende vierzig. Sie trug einen dünnen, schwarzen Rollkragenpullover und eine verwaschene Jeans. Das kurz geschnittene, hellgraue Haar stand drahtig nach allen Seiten ab. Die freundlichen blauen Augen milderten die Strenge ihrer Gesichtszüge. Kerzengrade stand sie da. Ich warf Mark einen überraschten Blick zu. Diese Frau sollte allen Ernstes siebzig Jahre alt sein?
    »Ein wundervoller Ort«, sagte sie und holte tief Luft.
    »Sind Sie schon lange hier?«, fragte Mark.
    »Ich bin vor Sonnenaufgang angekommen.«
    Um diese Jahreszeit wurde es lange vor fünf Uhr hell. Sie musste hier schon seit mehr als drei Stunden sitzen.
    »Und du bist…?«, fragte mich Emilia.
    »Oh, Entschuldigung. Mein Name ist Lydia Garner.«
    »Hallo, Lydia.« Sie musterte mich neugierig. »Du bist eine Musqueam, nicht wahr?«
    Die Frage kam so unerwartet, dass es mir für einen Moment die Sprache verschlug. Emilia Frazetta, eine siebzigjährige Galeristin aus New York, kannte sich mit den Völkern der First Nations aus! »Nein. Meine Mutter und Großmutter sind Squamish. Mein Vater ist Ire.«
    Emilia betrachtete mich noch immer eingehend. Was sie sah, schien ihr zu gefallen, denn ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Eine wunderbare Mischung aus Anmut und Temperament«, sagte sie. »Wahrscheinlich liegen dir die Jungs zu Füßen.«
    »Ich habe Mark. Es reicht, wenn er mich anbetet«, erwiderte ich lachend.
    »So?«, fragte Emilia. »Ich finde, eine Frau kann nie genug Verehrer haben. Und doch kommt es am Ende auf die eine große Liebe an, nicht wahr?«
    »Das glaube ich auch«, sagte ich vorsichtig und warf Mark einen verstohlenen Blick zu, doch er rollte nur mit den Augen.
    »Nun ja«, fuhr Emilia fort. »Vielleicht sollten wir uns auf den Rückweg machen. Der Umzugstruck müsste bald eintreffen.« Sie begann ihre Picknicksachen in einen Korb zu räumen, der neben ihr auf der Decke stand.
    »Warten Sie. Ich helfe Ihnen«, sagte Mark und nahm den kleinen Koffer.
    »Ein Kavalier der alten Schule«, sagte Emilia anerkennend. »Vielen Dank. Der Weg hinauf zum Wald ist steil und in meinem Alter sollte man sich da besser mit den Händen abstützen.«
    Eine Frau in ihrem Alter? Das konnte nur ein Witz sein, Emilia wirkte alles andere als schwach und gebrechlich.
    »Darf ich Sie etwas fragen, M s Frazetta?«, sagte ich, als wir den Waldrand erreichten.
    »Nenn mich Emilia«,
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