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Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)

Titel: Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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Freiheiten nehmen. Umso mehr genoss es Katara, an diesem Morgen einfach mit ihrem Vater zusammen zu sein und ihn ganz für sich allein zu haben. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen an der Hand des Vaters, so sicher und geborgen, als könnte ihr nichts und niemand etwas anhaben.
    Sie ritten über den Toten Fluss und bogen in den Weg ein, der in den Eulenwald führte. Es war ein geheimnisvoller Wald. Man hörte kein Geräusch, kein Vogelzwitschern, nicht einmal den Ruf einer Eule. Die uralten knorrigen Bäume wirkten gespenstisch im Dunst. Der Nebel schien hier noch dicker zu sein als auf der Burg.
    «Bleib immer dicht bei mir», sagte ihr Vater. «Sonst verlieren wir uns rasch aus den Augen.»
    Tatsächlich war der Nebel an einigen Stellen so dicht, dass man keine zwanzig Schritte weit sehen konnte. Unwillkürlich erinnerte sich Katara daran, dass es die Hexen gewesen waren, die den Nebel damals mit ihrer Zauberkraft aus der Tiefe heraufbeschworen hatten. Es machte sie wütend, wenn sie nur schon daran dachte. Einige glaubten zwar, der Nebel wäre allein auf den Einschlag des großen Felsens zurückzuführen. Doch Katara wusste, dass dem nicht so war. Die Hexen allein waren schuld am Elend der Stadt. Sie allein waren verantwortlich dafür, dass der Nebel gekommen war und das Licht vertrieben hatte.
    Eine Weile ritten sie stumm nebeneinander her, bis Katara die Stille brach. «Vater, wie alt warst du eigentlich, als der Nebel kam?»
    «Ich war zehn», erzählte Goran, «das war sechzehn Jahre vor deiner Geburt.» Er schüttelte den Kopf. «Ich erinnere mich an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Keiner, der diesen Tag erlebt hat, wird ihn je wieder vergessen. Es ist der dunkelste Tag in unserer Geschichte.»
    Er zügelte seinen Rappen und lenkte ihn auf einen schmalen Pfad, der sich durch die knorrigen Bäume einen Hügel hochschlängelte. Katara schnalzte mit der Zunge und brachte ihren Fuchs neben den Hengst ihres Vaters. Seite an Seite trotteten die Pferde durch den gespenstischen Wald. Wildes Moos, das aussah wie übergroße Spinnweben, hing überall von den Bäumen, und manchmal mussten sie sich bücken, damit ihnen die vom Nebel angefeuchteten Flechten nicht ins Gesicht klatschten.
    «Früher war der Eulenwald ein Wald voller Leben», berichtete der Vater. «Ich kam oft hierher. Wir bauten uns Baumhäuser und spielten Verstecken. Wir bastelten uns Pfeil und Bogen und gingen auf Wildschweinjagd, haben allerdings nie eins erlegt. Aber dann kam der Nebel … ja, der Nebel.»
    «Was ist geschehen?», fragte Katara.
    Goran zuckte die Achseln. «Das frage ich mich auch. Zuerst dachten wir alle, der Nebel würde sich im Laufe des Tages verziehen. Aber das tat er nicht. Er wurde je länger je dichter. Die Häuser wurden immer unschärfer, bis wir nur noch ihre Silhouetten erkennen konnten. Es war gespenstisch. Die Stadt wurde von der eigenartigsten Welle überflutet, die die Welt je gesehen hat.» Er machte eine Pause.
    Katara hörte ihm aufmerksam zu. «Und dann?»
    «Dann war auf einmal alles weg, die Häuser, die Bäume, die Landschaft, alles.» Er sagte es ganz leise, ja flüsternd, mit leicht zusammengekniffenen Augen, so als würde es ihn erneut schaudern, wenn er daran zurückdachte. «Der Nebel verschluckte uns förmlich. Und da standen wir in der trüben Suppe und konnten die eigene Hand nicht mehr vor den Augen erkennen. Ich glaubte, mein letztes Stündchen hätte geschlagen. Ich hatte Angst.»
    « Du hattest Angst, Vater?»
    «Ich war ein kleiner Junge. Ich wusste nicht, was da geschah. Ich meine, du bist mit dem Nebel aufgewachsen. Für dich ist es nichts Besonderes, wenn der Nebel zuweilen so dick ist, dass du glaubst, du könntest ganze Blöcke herausschneiden. Aber wir hatten so etwas noch nie zuvor gesehen. Es war unheimlich, das kannst du mir glauben.»
    Der schwarze Ritter machte eine Pause. Katara spürte, wie ihm die Sache heute noch zu schaffen machte. Auch nach so vielen Jahren saß ihm der Schock jenes Tages noch immer in allen Gliedern. Und ihr Vater war nun wirklich kein Mann, der sich so leicht einschüchtern ließ. «Weißt du, was das Schlimmste war?», fuhr er fort.
    «Nein, was denn?»
    «Dass die Sonne verschwand. Als das Licht der Sonne immer schwächer und schwächer wurde und es immer grauer und grauer um uns herum wurde. Und auf einmal war die Sonne ganz verschwunden. Das war das Schlimmste. Das war mit Abstand das Schlimmste. Der Nebel hat uns das Licht genommen. Er hat es
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