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Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)

Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)

Titel: Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Autoren: Cordula Stratmann
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die Eltern voll drüber abgedreht. Der Vater total wichtiger Anwalt, weltweit halt, und die Mutter so ’ne Extra-Zahnärztin, da gehen irgendwie alle hin, und die kriegen die Krise, dass die da zu Hause im Esszimmer zum Beispiel, da haben die so ’n Bild hängen von so einem total Berühmten, Wichter oder so – und der Sohn schreibt Bild mit zwei L! Haha. Der Paul schreibt uns immer irgendwelche Wörter auf, und wir müssen dann alle raten, was der meinte.«
    »Richter heißt der Künstler, von dem du eben gesprochen hast.« Jetzt wusste ich mal was. »Im Kölner Dom gibt es ein ganzes Fenster, das hat der Richter gemacht.«
    »Mann, bist du doof, die wohnen doch nicht im Dom! Die wohnen im Hahnwald. Und auf dem Bild ist so ’ne Kerze drauf, kein Fenster!«
    »Dann hab ich das eben wohl falsch verstanden.« Wieso sollte ich mich jetzt mit Polly streiten, die würde schon irgendwann vor dem Richter-Fenster zu stehen kommen. Und vielleicht würde sie dann an die kleine Klugscheißer-Maus denken, der sie als Mädchen begegnet war. Und vielleicht wäre sie dann dankbar, dass ich ihr nicht auf den Sack gegangen war mit ihr unbedingt was beibringen wollen über Herrn Richter.
    »Und der Malte, der ist auch cool«, fuhr Polly unbeeindruckt fort. »Dem seine Eltern haben durchgenervt. Die haben dem zu jeder Gelegenheit gesagt, er wär so schwierig und immer so mit dem Kopf durch die Wand, und dass das mit ihm einfach zu anstrengend wär, und guck mal dein Bruder und so. Und dann hat der sich gesagt, okay, dann mach ich jetzt nachts ins Bett, wenn die immer so allgemein schimpfen, das macht mich ja knallverrückt. So können die halt jetzt sagen: Bettnässer. Das ist für alle viel einfacher. Auch für den Malte. Der muss sich ja mal auf was konzentrieren, sonst fragt der sich ja dauernd, warum die den so schwierig finden. Jetzt weiß der: Ich mach ja auch immer ins Bett, ist natürlich nicht einfach für meine Eltern.«
    Ich war sprachlos: Was waren denn das für Kinder?! Ich hatte in meinem Mäuseleben natürlich schon Eindrücke von erwachsenen und kleinen Menschen gesammelt. Das blieb ja nicht aus. Kinder fand ich immer okay, und dass sie im Schlaf gut dufteten, hatte mich aber nie eingehender mit ihnen oder der Frage beschäftigt, wie sie ihr Leben so meisterten. Und nun erfuhr ich durch diese sommersprossige Polly hier vor meiner Nase, welch komplexe Wesen Kinder waren. Gerade bekam ich die Geschichte von Felix erzählt, der zu den Dienstagstreffen immer seine Wochenration Ritalintabletten mitbrachte und sie unter dem Gejohle der anderen im Mörser zerstampfte. Das Ritalinmehl sammelte jedes Mal Luise in einem Tütchen ein, was die dann wiederum damit machte – das konnte ich mir gar nicht alles merken.
    So ist das eben, wenn man eine Maus ist. Das Leben verläuft eindimensionaler, und unser Gehirn hat – kaum merklich! – weniger Speicherplatz. Deshalb schau ich ja so gern bei Ihnen zu, wie Sie das machen, alle mit sich einzeln und dann auch noch miteinander. Es heißt ja immer, der Mensch, das intelligente Wesen. Aber das ist auf keinen Fall nur schön, das konnte ich schon häufiger beobachten, das kann einen nämlich gehörig anstrengen. Es gibt doch unter Ihnen Einzelne, die fahren diese traktorähnlichen Wagen, mit denen sie in jeder Stadt oversized sind, Probleme beim Einparken haben und beim Aussteigen den Sexappeal eines Kartoffelbauern, der seinen Mähdrescher verlässt. Ich bin mir sicher, dass die Wagenbesitzer beim Kauf des Mobils fürchterlich in Gedanken über eine vollkommen andere Fragestellung mit mehreren Ebenen und komplexen Anforderungen waren, und dass die erst hinterher, als alles zu spät war, bemerkt haben, hupps, was hab ich mir denn in der Zwischenzeit für einen Bus gekauft? Und wie blöd sieht das denn jetzt aus, ich in so einem Anführungszeichen oben Auto Anführungszeichen unten!
    Sie haben vielleicht immer ein Zeug zu überlegen, Donnerlottchen, da stehen wir Mäuse – und ich kenne durchaus noch ein paar andere Tierarten, denen es ähnlich geht – mit großen Augen davor und sagen kollektiv: könnt ich nicht. Ehrlich. Das richtige Auto kaufen, Blumenpflege und was weiß ich noch alles.
    Ganz so schlicht, wie ich es eben anklingen ließ, sind wir Mäuse allerdings auch nicht.
    Ich bin da vielleicht nur etwas zu selbstkritisch. Wenn ich nicht gerade etwas zu selbstgefällig bin. Da finde ich manchmal das richtige Maß nicht. Damit sage ich Ihnen hier auf Seite 34 sicherlich
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