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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7
Autoren: Damon Knight
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Witwe und ihrem Jungen, was sie an Lebensmitteln aufgetrieben hatte. In letzter Zeit erschien der Ort sehr dunkel und still, obgleich der Frühling mit milden, langen Abenden immer weiter fortschritt.
    Eines Abends, als er nicht zu müde war, um davon Notiz zu nehmen, machte er darüber eine Bemerkung, und die Witwe antwortete: »Ach, jetzt sind sie alle verschwunden, glaube ich.«
    »Alle?« Und nach einer Pause, »wohin denn?«
    Sie zuckte die Achseln und schaute ihn aus dunklen Augen über den Tisch hinweg durch die lampenerleuchtete Stille eine Weile forschend an. »Wohin?« sagte sie. »Wohin führt denn deine Seestraße, Lif?«
    Er schwieg eine Zeitlang und antwortete dann: »Zu den Inseln«, und er lachte und wich ihrem Blick nicht aus.
    Sie lachte nicht, sondern sagte nur: »Gibt es welche? Ist es wirklich wahr, daß es Inseln gibt?« Dann betrachtete sie das schlafende Kind und durch die offene Tür die Dunkelheit draußen, die milde Dunkelheit in einer Straße, über die niemand schritt, und in Häusern, die niemand mehr bewohnte. Dann schwenkte ihr Blick zu Lif zurück und sie sagte: »Lif, du weißt doch, daß nicht mehr viele Ziegel übrig sind. Ein paar hundert noch. Du wirst noch welche machen müssen.« Und sie begann, leise vor sich hin zu weinen.
    »Bei Gott!« sagte Lif und dachte an seine Unterwasserstraße in das Meer hinaus, die noch keine fünfzig Meter lang war, und an die See, die sich zehntausend Kilometer weit erstreckte. »Ich werde hinschwimmen. Nana, weine nicht, meine Liebe. Ich werde doch nicht dich und den kleinen Hosenmatz ihrem Schicksal überlassen! Nachdem du mir jeden Tag die Steine fast auf den Kopf wirfst, und wenn ich an die komischen Gräser und Schellfische denke, die du uns zum Essen besorgst, nachdem ich an deinem Tisch und neben deinem Feuer gesessen habe und dein Bett und deine Freude mit dir geteilt habe, verlasse ich dich gewiß nicht, wenn du traurig bist. Nun, sei still und hör zu weinen auf. Ich überlege mir eine Möglichkeit, wie wir alle gemeinsam zu den Inseln gelangen.«
    Aber er wußte, es gab keinen Weg. Nicht für einen Baumeister. Er hatte getan, was er konnte, und sein Werk endete bereits nach fünfzig Metern vor der Küste.
    »Glaubst du«, fragte er nach einer langen Pause, währenddessen sie den Tisch abgeräumt und das Geschirr in dem Quellwasser gespült hatte, das seit dem Abzug der Wüter wieder klar aus der Erde sprudelte, »glaubst du, daß dies vielleicht …« Es fiel ihm schwer, weiterzusprechen, aber sie schaute ihn abwartend an, und so mußte er den Satz vollenden: »Daß dies vielleicht wirklich das Ende bedeutet?«
    Schweigen, in dem einen erleuchteten Zimmer und in all den vielen dunklen Zimmern und Straßen und abgebrannten Feldern und verwüsteten Ländereien, Schweigen. Stille auch in der dunklen Halle auf der Kuppe des Hügels. Reglos die Luft, schweigend der Himmel, ungebrochene Stille überall, und kein Widerhall. Außer dem fernen Rauschen der See, dem sanften Rascheln ihrer Gegenwart, dem leisen Atmen des schlafenden Kindes.
    »Nein«, sagte die Frau. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und legte die Hände auf die Tischplatte, zarte Hände von der Farbe der Erde mit elfenbeinweißen Handflächen. »Nein«, wiederholte sie, »das Ende wird das Ende sein. Dies ist nur die Wartezeit bis dahin.«
    »Warum sind wir dann noch hier … nur wir?«
    »Na ja«, antwortete sie, »du hast deine Sachen gehabt, deine Ziegelsteine, und ich hatte das Kind …«
    »Morgen müssen wir gehen«, sagte er nach einer Weile. Sie nickte.
    Noch vor Sonnenaufgang standen sie auf. Es war nichts zum Essen mehr da, und so verließen sie das kleine Haus, nachdem sie ein paar warme Sachen für das Baby in einen Beutel gestopft und ihren gefütterten Ledermantel angezogen hatte. Er steckte sein Messer und die Kelle in den Gürtel und zog einen warmen Mantel an, der einst ihrem Mann gehört hatte. Und so schritten sie im fahlen ersten Morgenschein in die verlassene Straße hinaus.
    Sie gingen den Berg hinab, er voran, und sie trug das schlaftrunkene Kind in den Falten ihres Mantels geborgen. Er wandte sich weder der nach Norden an der Küste entlangführenden Straße noch der Straße nach Süden zu, sondern ging über den Markt zu den Klippen hinaus und den steinigen Pfad zum Strand hinab. Sie folgte ihm, und keiner verlor ein Wort. Am Meeressaum drehte er sich um.
    »Ich werde dich im Wasser hochhalten, solange ich es schaffe«, sagte er.
    Sie nickte
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