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Damon Knights Collection 7

Damon Knights Collection 7

Titel: Damon Knights Collection 7
Autoren: Damon Knight
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oder hundert Meter entfernten Baumes.
    Die Häuser wurden spärlicher und standen weiter auseinander. In den Gärten bedeckte der Schnee die Kohlblätter. Die Straße wand sich den Hügel hinauf zu einem Steinhaus. Man konnte gerade noch die vor dem grauen Himmel wehende Flagge erkennen. Er bog auf einen Pfad am Fuß des Hügels ab; er führte zu den Pinien. Der dicke Teppich herabgefallener Nadeln war rutschiger als Eis. Er lehnte eine Wange an die Borke eines Baumes und vernahm wieder das Klicken des Auslösers, den ungleichmäßigen Schlag seines Herzens.
     
    Er hörte das Wasser, noch ehe er es sah, den Strand hinaufschwappen. Er blieb stehen, schärfte den Blick, erkannte den Felsen. Er ging darauf zu. So allumfassend empfand er diese Szene, ihn so mit einbegreifend, daß er spürte, wie sich die Fußstapfen hinter ihm mit Schnee füllten. Er blieb stehen.
    Hier hatte er gestanden mit dem Jungen auf dem Arm. Die Frau hatte die Kamera mit ehrfürchtiger Unbeholfenheit ans Auge gehalten. Er hatte sich nach vorn gebeugt, um nicht vom Schein der sinkenden Sonne geblendet zu werden. Die Kopfhaut des Jungen war mit Schorf von Wunden durch Insektenbisse bedeckt.
    Er war bereit, zuzugeben, daß all dies geschehen war, alle diese unmöglichen Ereignisse. Er gestand es sich nicht ein. Er hob stolz den Kopf und lächelte, als wolle er sagen: Also schön – na und? Gleichgültig, was ihr unternehmt, ich bin sicher! Weil ich eigentlich nicht mehr da bin. Ich bin schon in New York.
    Mit einer trotzigen Geste legte er die Hand auf die scharfen Kanten des Felsens vor ihm. Seine Finger berührten den widerspenstigen Haltegurt der Sandale. Mit Schnee bedeckt war ihm das blaue Oval der Gummisohle völlig entgangen.
    Er wirbelte herum und schaute zu den Bäumen hinüber, dann wieder auf den verlassenen Badeschuh. Er griff danach, um ihn ins Wasser zu werfen, zog dann die Hand zurück.
    Er ging wieder zu den Bäumen. Ein Mann stand am Waldrand auf dem Pfad. Es war zu dunkel, um seine Züge genau zu erkennen, aber er trug einen Schnurrbart.
    Zu seiner Linken endete der verschneite Strand bei einer Wand von Sandsteinen. Zu seiner Rechten verschwand der Pfad wieder unter den Bäumen, und hinter ihm spielte die See mit den Kieselsteinen an ihrem Saum.
    »Ja?«
    Der Mann neigte aufmerksam das Haupt, sagte aber nichts.
    »Nun, ja? Sprechen Sie.«
    Der Mann schritt in den Wald hinein.
     
    Die Fähre legte gerade an, als er auf den Landesteg hinaustorkelte. Er rannte weiter, ohne an dem Fahrkartenhäuschen eine Fahrkarte zu lösen. Auf dem Schiff sah er bei der elektrischen Beleuchtung den Riß in seiner Hose und einen Schnitt in der rechten Handfläche. Er war auf den Kiefernnadeln ein paarmal ausgerutscht und hingefallen, ebenso über Steine in den gefurchten Äckern, auf dem Kopf Steinpflaster.
    Er suchte sich einen Platz neben dem Kohleofen. Als er zu keuchen aufhörte, merkte er, daß er heftig zitterte. Ein junge machte mit einem Tablett voll Tee die Runde. Er kaufte ein Glas für eine Lira. Er erkundigte sich bei dem Jungen, wie spät es sei. Es war zehn Uhr.
    Die Fähre legte an einem Kai an. Das Schild über dem Fahrkartenhäuschen lautete BUYUK ADA. Die Fähre legte wieder ab.
    Der Fahrscheinkontrolleur wollte seinen Fahrschein sehen. Er hielt ihm eine Zehnlirenote entgegen und sagte: »Istanbul.«
    Der Kontrolleur nickte, was nein hieß. »Yok.«
    »Nein? Was kostet es? Kac oara? «
    »Yok Istanbul … Yalova.« Er nahm die dargebotene Banknote und gab ihm das Wechselgeld zurück, acht Lire, und einen Fahrschein nach Yalova an der asiatischen Küste.
    Er war auf eine Fähre in der falschen Richtung gegangen. Er fuhr nicht nach Istanbul zurück, sondern nach Yalova.
    Er erklärte erst in langsamem und deutlichem Englisch, dann in verzweifelt fragmentarischem Türkisch, daß er unmöglich nach Yalova zurückfahren konnte. Er zeigte den Flugschein, wies auf die Abflugzeit hin, acht Uhr, aber ihm fiel das türkische Wort für »morgen« nicht ein. Trotz seiner Verzweiflung sah er die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen ein: zwischen Buyuk Ada und Yalova legte die Fähre nirgends mehr an, und es verkehrte auch kein Schilf mehr nach Istanbul. Wenn sie in Yalova landeten, mußte er das Schiff verlassen.
     
    Eine Frau und ein Junge standen am Ende des hölzernen Landestegs, im konischen, flockenwirbelnden Lichtschein einer Lampe. Die Laternen am Mitteldeck des Schiffes wurden gelöscht. Der Mann, der so lange an der Reling gestanden
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