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Damon Knights Collection 10

Damon Knights Collection 10

Titel: Damon Knights Collection 10
Autoren: Damon Knight
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dort war, kamen Leute – Menschen, meine ich – herein und starrten uns an; wenn ihnen die dicke Frau etwas in die Hand drückte, kauften sie es. So jung ich war, ich begriff, daß sie eine Art psychologischen Druck auf diese Kunden ausübte.
    Da unsere Gesichter innerhalb des Hortjahrgangs al le gleich waren, tat diese Frau, als seien wir alle ein und dieselbe Person, ein junger Mann, ihr Stammkunde, der zehn bis zwanzigmal pro Tag in ihren kleinen Laden kam. Da sie wie gesagt so tat, als seien wir ein und dieselbe Person, nannte sie uns alle Mark; einer meiner Hortkameraden hatte ihr zweifellos diesen Tip gegeben; es ist der Name, den dumme Halbwüchsige immer nennen, wenn sie sich irgendwo durchschmuggeln wollen, nützlich insofern, weil er für die Menschen ebenso gilt wie für uns. { * } Wie ironisch mir das jetzt erscheint!
    Wir pflegten einer nach dem anderen im Laden umherzuschlendern, starrten die Bruchbänder und Verhütungsmittel an, für die wir keine Verwendung hatten,  und taten, als würden wir einen Becher mit Kohlensäureflüssigkeit trinken, bis die Frau sich mit einem, wie ich jetzt durchschaue, plumpen Taktgefühl umdrehte, so daß wir das Zeug in einen günstig aufgestellten Spucknapf schütten konnten.
    Das eine Mal, als Cedece mich begleitete, saßen wir auf hohen Drehhockern, spielten mit dem süßen Zeug in unseren Bechern und führten gelegentlich die Strohhalme an den Mund. Cedece, davon bin ich überzeugt, machte nur mit, um mir einen Gefallen zu erweisen. Er muß gewußt haben, daß ich der einzige war, der auf das Theater hereinfiel, aber damals hatte er, glaube ich, das Gefühl, daß ich in Meeresbiologie schlecht war, und nahm jede Gelegenheit wahr, um mir vor dem Examen noch etwas beizubringen. Der Laden lag nach Westen zu, und während wir uns unterhielten, beobachtete ich einen Sonnenstrahl, der auf seine Füße zuwanderte, über seine verschossenen Bluejeans, zu dem Elchledergürtel, den er selbst geflochten hatte, das geflickte Jagdhemd hinauf – bis sein Gesicht, sein Hals und die Hand, die den Becher hielt, in helles Licht getaucht waren. Ich betrachtete sie genauer, verfärbt wie sie waren, von winzigen Rissen durchzogen, und es kam mir vor, als sei Cedece ein altes Möbel, überzogen von einem steifen, bröckelnden Plastikmaterial; es war furchtbar. In diesem Moment kam mir der Gedanke, daß die Frau Bescheid wissen mußte (ich war zu unschuldig, um zu erkennen, daß sie es gemerkt hatte, als der erste von uns ihren Laden betrat), aber sie machte sich weiter hinten im Laden zu schaffen – und wartete zweifellos darauf, daß die seltsamen Kunden an der Soda-Bar Touristen hereinlocken würden.
    Um meine Gedanken von Cedece abzulenken, begann ich die Menschen auf der Straße zu beobachten. Innerhalb weniger Minuten strömten wohl an die tausend Personen am Fenster vorbei. Das veranlaßte mich, Cedeces Lektion zu unterbrechen und ihm die Frage zu stellen: „Wenn es draußen so herrlich ist, wie es die Übungsbänder zeigen und alle Alten bestätigen, warum gehen dann nicht einige von ihnen –“ ich wies zum Fenster hinaus – „in die Wildnis und beobachten sie? Warum schicken sie uns?“
    Cedece lachte. „Als ich jung war, lautete die Antwort darauf immer: Insekten.“
    „Insekten?“
    „Ja, sie stechen die Menschen. Aber das ist natürlich nur eine Ausrede. Es gibt Mittel gegen Insekten.“
    „Dann –“
    „Einige von ihnen gehen tatsächlich hinaus“, sagte Cedece. Und er erzählte mir von einem Mann, den er einmal aus der Coloradoschlucht gerettet hatte. Dieser Mann war ein fanatischer Anhänger der ökumenischen Neu-Katholiken gewesen, und er hatte versucht, die Stromschnellen mit einer Luftmatratze zu überwinden, weil die Legende berichtete, daß St. Kennedy, der Jüngere, das gleiche getan habe. „Er war so naiv“, sagte Cedece, „daß er mich die ganze Zeit über, die wir zusammen verbrachten, für einen Forstangestellten hielt. Oder vielleicht hatte er einfach Angst vor mir, so weit weg von den Städten, und dachte, auf diese Weise sei er am sichersten. Ich bezweifle, daß es auf der ganzen Welt noch zehn Menschen gibt, die für die Forstbehörden arbeiten.“ In diesem Moment kam ein dickbäuchiger Mann mit zwei Kindern in den Laden; er deutete flüsternd auf Cedece und mich, und wir gingen.
    Ich glaube, das war das einzige Mal, daß Cedece das Ausbildungsgelände verließ. Letzten Monat (wie weit scheint das zurückzuliegen!), nach unserem Examen,
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