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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
Autoren: Kösel
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die alte, langweilig gewordene Freizeitbeschäftigung durch eine neue »und viel geilere, macht mein Freund jetzt auch« ersetzen. Der Ehemann möchte »endlich mal bessere Stimmung zu Hause« und schaut dabei vorwurfsvoll seine Frau an. Jeder erwartet etwas vom anderen. Und die dahinter verborgene Haltung lässt sich mit drei Worten umschreiben: Tu mal was!
    Das ist übrigens eine Haltung, mit welcher auch der Therapeut konfrontiert wird. Er soll endlich dafür sorgen, dass das Familienschiff in ruhigere Fahrwasser kommt.
    »Warum, glauben Sie, sind wir zu Ihnen gekommen?«
    »Sagen Sie es mir...«
    »Damit Sie uns sagen, was wir tun sollen.«
    »Ich kann Ihnen nicht sagen oder, noch schlimmer, befehlen, was Sie tun sollen. Wir sind hier nicht beim Militär, wir können nur zusammen überlegen, was Sie verändern möchten. Und dann begleite ich Sie gerne bei Ihren Wünschen nach Veränderung. Aber Sie müssen es wollen und umsetzen. Ich arbeite mit Ihnen, aber nicht für Sie. Kann ich gar nicht.«
    Der Augenblick positiver Veränderung kommt dann zustande, wenn der Einzelne in der Familie, und hier meine ich vor allem die Erwachsenen, sich wieder um sich kümmern lernt.
    Das Klagelied, dass einfach keine Energie mehr für eigene Hobbys vorhanden sei bei der Doppelbelastung Familie
und Beruf, ist eine Ausrede. Kinder, die nur ihre Schule haben und keine Freizeitbeschäftigungen, welche ihnen ganz einfach Spaß machen, haben erfahrungsgemäß viel weniger Energie als ihre Schulkameraden, die nebenbei noch im Sportverein sind, tanzen (Hip-Hop, Salsa etc.) oder, ja, auch ihre Internetspiele betreiben. Und was für Kinder gilt, kann auch für Eltern nicht falsch sein: Eltern, die ein Hobby haben, das sie mit Leidenschaft betreiben, tanken Lebensfreude.
    Ein 48-jähriger Vater und begeisterter Motorradfahrer beschreibt wunderschön, wie sein Motorradfahren auf das Familienleben positiv ausstrahlt. Allerdings erst, seit seine Frau ihm nicht mehr neidvoll dabei zusieht und nicht mehr zu verstehen gibt, wie albern sie seine Leidenschaft findet: »Wenn mir das Dach auf den Kopf zu fallen droht, schwing ich mich aufs Motorrad - und komm relaxed zurück, der Kopf ist wieder frei.« Inzwischen würden auch seine zwei Söhne (sieben und zehn Jahre) zu ihm sagen: »Papa, geh halt Motorradfahren.« Und sein Jüngster wolle Autorennfahrer werden - aber erst, seit die Mutter nicht mehr mit verkniffenen Lippen »schräge Kommentare« (so der Vater) zu seinem Hobby abgebe.
    Eine 50-jährige Mutter hat mit Bauchtanzen angefangen und »ist jetzt wieder besser zu haben«, so die 14-jährige Tochter. Länger als ein Jahr hat diese Mutter vom Bauchtanzen gesprochen als Möglichkeit, als Idee, als Sehnsucht. Vor allem aber als ein Vielleicht. Diesem Vielleicht standen so viele Hindernisse im Weg. Das erste Hindernis war ihre abendliche Erschöpfung. Das zweite ihre Gewissensbisse den Kindern gegenüber, die sie doch gerade am Abend bräuchten, um gut einschlafen zu können. Das dritte die finanzielle Ausgabe. Das vierte die Vorbehalte des Mannes (»Mach doch was Vernünftiges, wenn du schon was für dich machen willst«). Das fünfte, dass keine Freundin Lust hatte, sie zu begleiten (»Mit einer Freundin zusammen würde es mir halt
richtig Spaß machen«). Das sechste ihre Figur, die ich mir selber sehr gut beim Bauchtanzen vorstellen konnte, aber sie nicht, weil sie keine Modelfigur mehr hat.
    Ich mache mich nicht lustig über diese Frau. Sie steht stellvertretend für viele andere, die eine Veränderung möchten, doch es beim Wunsch nach Veränderung belassen. Und im Hinterkopf immer noch die Hoffnung hüten, der Ehepartner würde sicherlich bei gutem und hartnäckigem Zureden mal mit einer Veränderung anfangen. Dieses Schielen zum anderen hin ist wie ein Zwang. Es ist die seltsame Schatzsuche der Erwachsenen, die noch vor dem Aufbruch gescheitert ist:
    »Wenn mein Mann mir mehr Aufmerksamkeit schenken würde...«
    »Wenn meine Frau etwas entspannter wäre...«
    »Wenn mein Mann nicht so viel unterwegs wäre...«
    »Wenn meine Frau nicht immer glauben würde, sie wüsste alles besser beim Erziehen der Kinder...«
    »Wenn meine Frau mal von sich aus auf mich zukäme...«
    »Wenn mein Mann mal was Nettes sagen würde...«
    »Wenn meine Frau nicht so viel arbeiten würde...«
    »Wenn meine Frau mal ihre verklemmte Erziehung ablegen würde...«
    »Wenn mein Mann nicht so ein verdammter Egoist wäre...«
    Familienstrukturen scheinen es in sich
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